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Inventar-Nr: B02425
Objekt: Samisdat


Halbsamisdatschrift "Frieden schaffen aus der Kraft der Schwachen"
Material zur Friedensdekade vom 6. - 16. November 1983

Das vorliegende offizielle kirchliche Material, ein Vorbereitungsheft für die {link:link:w00187">Friedensdekade 1983 in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), gehört zur so genannten "grauen" Literatur der Kirchen, für deren Herstellung keine staatliche Druckgenehmigung eingeholt wurde. Obwohl viele derartige kirchliche Arbeitmaterialien, die teilweise auch von oppositionellen Gruppen genutzt werden konnten, meist selbst Samisdatcharakter trugen, sind sie dem Halbsamisdat (nichtlizensierte Materialien) zuzuordnen. Das Arbeitsmaterial wurde in Vorbereitung der Friedensdekade, die 1983 unter dem Motto "Frieden schaffen aus der Kraft der Schwachen" stand, von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Jugend (AGCJ) erarbeitet, auf einer Maschine vervielfältigt und vom Sekretariat des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR herausgegeben. Vor der Herausgabe legte man die Textsammlungen aber für gewöhnlich noch dem Staatssekretär für Kirchenfragen vor. Im Falle seines Einspruches aufgrund einer Beanstandung aus politischen Gründen wurden die Texte zumeist noch korrigiert. Auf dem Deckblatt der Materialsammlung ist das Symbol "Schwerter zu Pflugscharen" abgebildet, das von Anfang an das Kennzeichen der Friedensdekaden (seit 1980) und der unabhängigen Friedensbewegung in der DDR war (vgl. auch das Material zur Friedensdekade 1985).

Obwohl das offizielle Arbeitsmaterial 1983 die Beschäftigung mit der bevorstehenden Nachrüstung und der weiteren Militarisierung der Gesellschaft vorsah, wichen die in den Gemeinden durchgeführten Veranstaltungen während der Friedensdekade oft von den Vorschlägen ab. So kam es beispielsweise auch zu zahlreichen nicht gewünschten Protesterklärungen, Unterschriftenaktionen und Briefen an Erich Honecker. Zum Teil gestalteten unabhängige Friedens- und Basisgruppen die Dekade auch ohne Beteiligung einer der Kirchengemeinden. In Leipzig fanden in verschiedenen Kirchen Veranstaltungen statt, die auch von der nichtkirchlichen Öffentlichkeit wahr- und angenommen wurden. Teilweise fanden sich in manchen Kirchen bis zu 1.000 Besucher bei einzelnen Veranstaltungen ein. Im Anschluss an die Friedensgebete in der Nikolaikirche kam es auch zu Kerzendemonstrationen auf dem Markt (vgl. auch Kerzenaktionen während der Montagsdemonstrationen im Herbst 89). Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) und die Volkspolizei gingen mit allen Mitteln dagegen vor. Sie lösten nicht nur die Demonstrationen auf, sie versuchten auch Einfluss auf die Kirchenleitung zu nehmen, damit diese von den Demonstrationen abriet. Die öffentlichkeitswirksamste Aktion war eine Demonstration nach dem offiziellen Ende der Friedensdekade am 18. November 1983 mit etwa 50 Teilnehmern vor dem Filmtheater Capitol, während der 26. Dokumentar- und Kurzfilmwoche, von der anwesende westliche Medienvertreter und internationale Filmemacher berichteten. 17 Personen wurden daraufhin festgenommen, sieben verurteilte man zu Haftstrafen von bis zu 2 Jahren.

Für die Herstellung der internen Kirchenschriften, die auf kircheneigenen Vervielfältigungsgeräten in Auflagen von zumeist nicht mehr als 2.000 Exemplaren gedruckt wurden, holte man keine staatliche Genehmigung ein. Dabei beriefen sich die Kirchen auf einen Paragrafen der staatlichen "Anordnung über das Genehmigungsverfahren für die Herstellung von Druck und Vervielfältigungserzeugnissen" vom 20. Juli 1959, nach dem innerkirchliche Publikationen ohne staatliche Genehmigung erscheinen und mit dem Vermerk "nur für den innerkirchlichen Dienstgebrauch" vervielfältigt werden durften (vgl. auch politischen Samisdat).


Sammlung: Samisdatschriften, kirchliche und Oppositionsblätt
Hersteller: Sekretariat des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR
Maße: Länge: 29,8 cm; Breite: 21 cm
Material: Heftklammer: Metall,
Heftblock: Papier
Farbe: Aufdruck: schwarz,
Heftblock: beige

Autor/Herausgeber: Sekretariat des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR
Arbeitsgemeinschaft Christlicher Jugend in der DDR (AGCJ)
Verlag: Eigenverl.
Erscheinungsjahr: 1983
Auflage: 1. Auflage
Umfang: 52 S. / 28 Blatt









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