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Inventar-Nr: B02495
Objekt: Samisdat


Samisdatschrift "Wahlfall 89"
Eine Dokumentation

Das Heft "Wahlfall 89", das ausführlich die im Mai 1989 von der Opposition nachgewiesenen Fälschungen der Ergebnisse der Kommunalwahl dokumentiert, gehört zur so genannten Samisdat-Literatur die von der Opposition in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) meist unter dem Schutz der Kirche herausgegeben wurde. Solche "innerkirchlichen" Schriften waren eines der wenigen Mittel, das staatliche Informationsmonopol zu durchbrechen. Nur auf diesem Weg konnte innerhalb der DDR auch über den Wahlbetrug informiert werden. Das heimlich produzierte Sonderheft (Einzelausgabe) wurde in Berlin von der Koordinierungsgruppe Wahlen herausgegeben, die aus Vertretern mehrerer Gruppen bestand. Die Vervielfältigung erfolgte auf einer Maschine in einer Auflage von etwas mehr als 500 Exemplaren. Auf dem Titelbild ist eine Wahlurne abgebildet, die bei einer Demonstration gegen den Wahlbetrug am 7. Juni 1989 in Berlin mitgeführt und von der Volkspolizei konfisziert wurde (vgl. weiteren politischen Samisdat und kirchlichen Halbsamisdat).

Am 7. Mai 1989 fand die von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) mit großem agitatorischen Aufwand vorbereitete Kommunalwahl statt (vgl. auch die Kommunalwahl 1990). Den reibungslosen Ablauf versuchte das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) mit der Aktion "Symbol" abzusichern. Mitglieder verschiedener Oppositionsgruppen organisierten in mehreren Orten der DDR die Kontrolle der Stimmenauszählung. Erstmals gelang es so, der SED-Führung Wahlbetrug nachzuweisen. Dennoch liefen alle Einsprüche gegen die Wahl ins Leere. Für viele DDR-Bürger brach damit die Illusion vom "Rechtsstaat DDR" zusammen.
In Leipzig sammelten sich schon am Abend des Wahltages etwa 1.000 Personen - Demonstranten, Besucher der Markttage und zivile Sicherheitskräfte - auf dem Leipziger Markt. Auf Flugblättern waren alle Nichtwähler aufgerufen worden, ihre Wahlberechtigungsscheine demonstrativ in einer Urne zu sammeln. Volkspolizei und Staatssicherheit verhafteten am Wahltag 76 Personen und verhörten sie bis in die frühen Morgenstunden. Ebenso war zu einer Demonstration gegen die Wahl-Farce vor das Leipziger Völkerschlachtdenkmal eingeladen worden. Die Initiatoren wurden dafür noch im August 1989 zu 18 bzw. 10 Monaten Haft verurteilt.

Seit Mitte der 1980er Jahre gab die Opposition in der DDR immer mehr inoffizielle Publikationen heraus. Wurden in den anfangs vereinzelt und in kleinen Auflagen erschienenen Blättern - die oft von einer christlich geprägten Sprache bestimmt waren - zumeist nur Termine, Artikel über Umweltaktionen (z.B. Baumpflanzaktionen) oder Beiträge zur eigenen Gruppe veröffentlicht, behandelte man jetzt auch offen politische Themen. Dabei waren die politischen Richtungen der Publikationen ebenso unterschiedlich wie deren Wirken (regional bzw. landesweit). In der DDR existierten 1987 über 20 verschiedene periodisch erscheinende Protestblätter die von unterschiedlichen Basisgruppen im Selbstverlag (Samisdat) herausgegeben wurden, 1988 waren es etwa 30 und ein Jahr später annähernd 40.


Sammlung: Samisdatschriften, kirchliche und Oppositionsblätt
Hersteller: Koordinierungsgruppe Wahlen
Maße: Länge: 29,8 cm; Breite: 21 cm
Material: Papier
Farbe: Aufdruck: schwarz,
Heftblock: beige

Autor/Herausgeber: Koordinierungsgruppe Wahlen
Verlag: Eigenverl.
Erscheinungsjahr: 1989
Erscheinungsort: Berlin
Auflage: Einzelausgabe
Umfang: 40 S. / 20 Blatt










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