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Inventar-Nr: B02512/4
Objekt: Samisdat


Samisdatzeitschrift "Umweltblätter"
Informationsblatt des Friedens- und Umweltkreises Zionskirchgemeinde

Die Informationsschrift "Umweltblätter" - vorliegend die Ausgabe vom Juli 1989 - gehört zur so genannten Samisdat-Literatur die von der Opposition in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) meist unter dem Schutz der Kirche herausgegeben wurde. Solche "innerkirchlichen" Schriften waren eines der wenigen Mittel, das staatliche Informationsmonopol zu durchbrechen. Die Umweltblätter, die zu den bekanntesten und profiliertesten Samisdat-Zeitschriften in der DDR zählen, wurden erstmals im September 1986 (zunächst unter dem Titel "Die Umwelt-Bibliothek") von der Ost-Berliner Umwelt-Bibliothek (UB) der Zionskirchgemeinde herausgegeben. Bis September 1989 erschienen alle ein bis zwei Monate insgesamt 32 Ausgaben in einer Auflage von anfangs 200 Exemplaren, die bis zum Ende auf bis zu 4.000 Exemplare anstieg. Während man die ersten Ausgaben noch mit einem "Spritumdrucker"(Ormig-Vervielfältigung) herstellte und nur im engeren Bekanntenkreis verteilte, wurde das Informationsblatt ab Mai 1987 auf einer selbst zusammen gebastelten "Druckmaschine" mit Schablonen vervielfältigt und auch außerhalb der Kirche verteilt. Für kurze Zeit konnten die Umweltblätter nicht erscheinen, nach dem das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in der Nacht zum 25. November 1987 in die UB eindrang, die Drucker, die gerade eine neue Ausgabe des "halblegalen" Blattes produzierten, festnahmen und die "Druckmaschine" konfiszierten. Ursprünglich zielte der Stasi Einsatz (Deckname: "Aktion Falle") darauf ab, die Redakteure und Drucker des "Grenzfall", der zum Teil in der UB vervielfältigt wurde, auf frischer Tat zu ertappen. Durch einen Zufall schlug diese Aktion aber fehl, so das die Stasi anstelle auf die "Grenzfall"-Herausgeber auf die UB-Mitarbeiter stieß. Nach landesweiten Protestaktionen und auf internationalen Druck hin, mussten die Verhafteten nach wenigen Tagen wieder freigelassen werden. Kurze Zeit später konnte die UB, auch dank einiger Sachspenden aus dem Westen, ihre Veröffentlichungen fortsetzen. Mit der Ausgabe vom August 1988 erschienen die Umweltblätter erstmals in neuer Satztechnik: die Texte wurden auf einem Computer (Amiga 500) erstellt und die Vorlagen mit einem Nadeldrucker bedruckt. Damit war es jetzt möglich, beschädigte Vorlagen problemlos zu ersetzen und die Umweltblätter in größerem Umfang und größerer Auflage auf einem Schablonen-Vervielfältiger zu produzieren. Während der Massenproteste im Oktober 1989 wurden die Umweltblätter umbenannt. Sie erschienen jetzt unter dem neuen Namen "telegraph" in Abständen von wenigen Tagen. Mit der Umbenennung sollte der neue, aktuelle Charakter des Blattes verdeutlicht werden. Bis zum Dezember 1989 war der telegraph das einzige unabhängige Blatt, das über die Friedliche Revolution berichtete und die "Wende" in der DDR von Seiten der Opposition begleitete.

Die Themen der Umweltblätter waren sehr vielseitig. Neben Beiträgen zum Umweltschutz, zu den Menschen- und Bürgerrechten, der Friedensbewegung in der DDR und weiteren systemkritischen Positionen informierte das Blatt darüber hinaus auch über die Aktivitäten der Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen und deren Auseinandersetzungen mit der SED und der Kirche. Die vorliegende Ausgabe enthält z.B. einige Artikel zu den im Mai 1989 von der Opposition nachgewiesenen Fälschungen der Ergebnisse der Kommunalwahl (vgl. dazu Dokumentation "Wahlfall 89") und Berichte über die zwei verbotenen Aktionen Pleißepilgerweg und Straßenmusikfestival im Juni 1989 in Leipzig (vgl. auch kirchlichen Halbsamisdat).


Sammlung: Samisdatschriften, kirchliche und Oppositionsblätt
Hersteller: Umweltbibliothek Berlin
Maße: Länge: 29,8 cm; Breite: 21 cm
Material: Heftblock: Papier,
Heftklammer: Metall
Farbe: Heftblock: beige, weiß,
Aufdruck: rotbraun, schwarz

Autor/Herausgeber: Umweltbibliothek Berlin
Verlag: Eigenverl.
Erscheinungsjahr: 1989
Erscheinungsort: Berlin
Auflage: Ausgabe Juli 1989
Umfang: 79 S. / 40 Blatt










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