Die Kampfgruppen der Arbeiterklasse

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Die Kampfgruppen der Arbeiterklasse (KG) waren paramilit?rische Verb?nde, die in staatlichen Betrieben und Einrichtungen organisiert wurden. Sie waren personell aus den Mitarbeitern der Betriebe, Kombinate, staatlicher Organe und deren Einrichtungen zusammengesetzt. F?r die Organisation der Kampfgruppen (Ausbildung, Ausr?stung usw.) waren das Ministerium des Innern (MdI) bzw. die jeweiligen Bezirksbeh?rden der Deutschen Volkspolizei (BDVP) zust?ndig. Den Beschluss zum Einsatz der Kampfgruppen fasste die jeweilige SED-Bezirksleitung. F?r die konkrete F?hrung der Eins?tze war dann wiederum die Volkspolizei zust?ndig, sie erteilte in diesem Rahmen auch die Befehle an die zust?ndigen Kampfgruppenkommandeure.

Anf?nglich sollten sie als ?Betriebskampfgruppen? ausschlie?lich innerbetriebliche Schutzfunktionen ?bernehmen, daher begann man 1952 zun?chst auch nur sporadisch mit deren Aufbau in verschiedenen Industriezentren der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Bereits im Jahre 1951 waren in knapp 5.000 Volkseigenen Betrieben (VEB) Ma?nahmen zur Gew?hrleistung von Ordnung und Sicherheit beschlossen worden, worunter auch der Aufbau von Schutzorganisationen gez?hlt wurde. Diese firmierten unter den verschiedensten Namen wie ?Selbstschutzbrigade?, ?Sabotage-Schutz-Kommando?, ?Friedenswacht? oder ?Arbeiterwehr?. Letztlich wurden jene dann ab M?rz 1953 unter dem Begriff ?Kampfgruppen? gef?hrt.

Der Aufstand vom 17. Juni 1953 hatte bei der Staatsf?hrung einen tief greifenden Eindruck hinterlassen. In ihren Augen hatten die Sicherheitsorgane der DDR und die Parteiorganisationen in den Kreisen und Bezirken weitgehend versagt. In Folge dessen beschloss das Zentralkomitee (ZK) der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) auf zentraler, regionaler und betrieblicher Ebene die forcierte, fl?chendeckende Aufstellung der Kampfgruppen. Die Grundidee der KG lag dabei im Bezug zu den politischen Vorbildern und stand f?r die marxistisch-leninistische Vorstellung der ?Volksbewaffnung?. Unmittelbare Vorbilder der Kampfgruppen waren hier die proletarischen Hundertschaften der Weimarer Republik und die im Juni 1924 gegr?ndete Wehrorganisation der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), der Rote Frontk?mpferbund (RFB), au?erdem die im Spanischen B?rgerkrieg (1936-1939) eingesetzten Internationalen Brigaden sowie tschechoslowakischen Arbeitermilizen. Um bewusst daran ankn?pfen zu k?nnen, wurden den meisten Einheiten die Namen von Kommunisten und antifaschistischen Widerstandsk?mpfern als ?Ehrennamen? verliehen.

Man verstand sie anfangs noch als ?Kampfgruppen der Partei? und besetzte sie daher ausschlie?lich mit SED-Mitgliedern. Doch seit 1954 wurden auch zuverl?ssig erscheinende Parteilose aufgenommen. Die Ausbildung und Schulung der Angeh?rigen ?bernahm die Gesellschaft f?r Sport und Technik (GST). Ab 1955 sollten die KG in ein ?wirksames Instrument der Heimatverteidigung umgewandelt? werden und deshalb ?bertrug das ZK der SED die Ausbildung und Schulung der Deutschen Volkspolizei (DVP). Alle Angeh?rigen erhielten nunmehr u.a. auch eine Waffen- und Schie?ausbildung. Nach der Gr?ndung der Nationalen Volksarmee der DDR (NVA) im Jahre1956 erfolgte sodann eine interne Struktur?nderung. Neben der Gew?hrleistung der inneren Sicherheit gab es Vorschl?ge, eine zweite regul?re Armee zu schaffen. Zwar wurden diese nicht umgesetzt, es war aber schon jetzt eine verst?rkte milit?rische Ausrichtung zu erkennen, die ?ber die normalen Schutzaufgaben hinauslief.

Im November 1956 hatten die Einheiten der KG ihren ersten wichtigen Einsatz. Man setzte sie gegen protestierende Studenten an der Humboldt-Universit?t in Ostberlin ein. Eine weitere ?Bew?hrungsprobe? erfolgte 1957, als Verb?nde der KG in der Geldumtauschaktion vom 13. Oktober eingesetzt wurden. Sie sicherten hierbei die Transporte und Umtauschstellen und ?berwachten den eigentlichen Tausch.

Im Jahr 1959 erfolgte eine wiederholte organisatorische Neugliederung der KG. Sie sah u.a. eine st?rkere Zentralisierung der Einheiten vor. Mehrere Hundertschaften sollten zu Bataillonen zusammengefasst werden. Es erfolgte die Aufstellung von Kampfgruppenbataillonen (KGB), so auch die Schaffung von KGB der Bezirksreserve. Diese sollten im Ernstfall zusammen mit den anderen bewaffneten Organen selbst?ndig Kampfhandlungen auf dem Territorium der DDR f?hren k?nnen. Die KG wurden damit vollst?ndig in das System der Landesverteidigung der DDR eingebunden.

Den wohl bedeutendsten Einsatz hatten die KG in und um Berlin in der Zeit vom 13. bis 23. August 1961 beim Bau des ?antifaschistischen Schutzwalls?, der Berliner Mauer. Hier, wie auch sp?ter an der Staatsgrenze West zur Bundesrepublik Deutschland (BRD), wurden Verb?nde, zusammen mit der Grenzpolizei und anderen bewaffneten Einheiten in die Absperrungsma?nahmen mit einbezogen. Gem?? ihrer Aufgabenstellung sollten sie hierbei die ?sozialistischen Errungenschaften? und den Frieden gegen?ber dem imperialistischen Klassenfeind sch?tzen.

Die Verb?nde der Kampfgruppen waren anfangs ?u?erlich wenig erkennbar. Sie trugen Zivilkleidung mit einer roten Armbinde mit der Aufschrift ?Kampfgruppe?. Mit Einf?hrung der Uniformierung im Jahre 1955 waren sie nun mit blauen Overalls und blauen Skim?tzen eingekleidet. Danach wurde die olivgraue Felduniform (Kampfanzug) mit dem typischen ?rmelabzeichen mit Kampfgruppenemblem (in der Hand gehaltener Karabiner mit roter Fahne) eingef?hrt. Schlie?lich trugen sie seit ihrer Beteiligung an dem Man?ver ?Waffenbr?derschaft? der Streitkr?fte des Warschauer Paktes im Oktober 1970 die steingraue Uniform. Die Ausr?stung der KG war vielschichtig, anfangs nur mit alten Karabinern und Pistolen ausgestattet, erfolgte mit der Zeit die Ausr?stung mit leichten und schweren Maschinengewehren, Granatwerfern sowie Flak- und Panzergesch?tzen sowie eine verst?rkte Motorisierung mit Sch?tzenpanzerwagen (SPW), Mannschaftstransportwagen (MTW), leichten Personenkraftwagen (PKW) und Motorr?dern.

Im Gegensatz zu den milit?rischen Einheiten lag das Eintrittsalter in die KG bei 26 Jahren. Die gesamte Ausbildung erfolgte ausschlie?lich au?erhalb der Arbeitszeit an 16 Wochenenden im Jahr. Durch die Mitgliedschaft in den Kampfgruppen galt die gesetzlich vorgeschriebene Reservistenpflicht zur wehrsportlichen Bet?tigung als abgegolten und nach 25j?hriger Dienstzeit erfolgte die Entlassung mit ?berreichung einer Ehrenurkunde und einem Zuschlag von 100 Mark (Ost) zur monatlichen Rente.

Die Hauptaufgaben der 400.000 Mann starken Verb?nde bestanden darin, im Verteidigungsfall die Operationsfreiheit der Streitkr?fte zu sichern sowie ihnen taktische Unterst?tzung zu gew?hren, z.B. durch Sicherung der Logistik, Erschlie?ung von Reserven, Bek?mpfung von Luftlandetruppen, Schutz der Bev?lkerung und wichtiger Objekte. Aufgrund ihrer vereinheitlichten Ausbildung, Ausr?stung und Bewaffnung waren die Einheiten wie aktive Truppenverb?nde untereinander austauschbar, ihr Operationsgebiet konnte beliebig erweitert und das Zusammenwirken mit Truppenverb?nden jederzeit hergestellt werden.

Im Oktober 1989 sollten w?hrend einer Montagsdemonstration in Leipzig auch Kampfgruppen gegen das eigene Volk eingesetzt werden. In einem Leserbrief in der Leipziger Volkszeitung (LVZ) am 6. Oktober 1989 (?Werkt?tige des Bezirkes fordern: Staatsfeindlichkeit nicht l?nger dulden?) verlangte der Kampfgruppen-Kommandeur G?nter Lutz im Namen der Hundertschaft ?Hans Geiffert?, notfalls auch mit Waffengewalt gegen Demonstranten vorzugehen. Die Stimmung in den KG war aber ?berwiegend so, dass die SED-F?hrung davon ausgehen musste, das der Befehl zum bewaffneten Einsatz nicht befolgt werden w?rde. Viele der Kampfgruppen-Angeh?rigen waren nicht gewillt gegen protestierende Arbeitskollegen, Freunde oder gar die eigene Familie vorzugehen.

Mit dem Zusammenbruch der DDR war auch das Ende der Kampfgruppen besiegelt. Eine der Kernforderungen der friedlichen Opposition war n?mlich deren Aufl?sung. Der damalige Innenminister Lothar Ahrendt ordnete am 6. Dezember 1989 zun?chst deren Entwaffnung an, am 14. Dezember beschloss die Regierung die endg?ltige Aufl?sung der Kampfgruppen bis zum 30. Juni 1990.


Glossar
Literatur