Leipziger Friedensgebete

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1989 wurden die seit September 1982 von Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen regelm??ig organisierten Friedensgebete in der Nikolaikirche zum Ausgangspunkt der Leipziger Montagsdemonstrationen und legten den Grundstein f?r die Friedliche Revolution in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR).

Anfang der 1980er Jahre rief die evangelische Kirche vor dem Hintergrund des atomaren Wettr?stens und der weltweiten Bedrohung des menschlichen Lebens durch Krieg und Gewalt in ganz Deutschland dazu auf, im November jeden Jahres Friedensdekaden durchzuf?hren. Eine von diesem Faktum unabh?ngige, nicht auf die Kirche beschr?nkte Friedensbewegung entstand, deren Symbol das biblische Motiv ?Schwerter zu Pflugscharen? war. Charakteristisch f?r diese Bewegung waren die unz?hligen Arbeitsgruppen und Interessengemeinschaften, die sich aus dem kirchlichen Umfeld heraus gr?ndeten und f?r inneren und ?u?eren Frieden, Umwelt und Menschenrechte eintraten.

Aufgrund der restriktiven gesetzlichen Bestimmungen in der DDR zu Versammlungsrecht und Meinungs?u?erung nutzte die Friedensbewegung Gottesdienste und Andachten als gesch?tzten Kommunikationsraum. Das Besondere an den Leipziger Friedensgebeten war daher nicht deren Existenz per se, sondern der Umstand, dass diese Veranstaltung auch au?erhalb der Friedensdekade stattfand. Dies ist auch dem Engagement der ?Jungen Gemeinde? aus Leipzig-Probstheida und dem Jugenddiakon G?nther Johannsen zu verdanken. Sie waren es, die im November 1982 die Initiative starteten, das Friedensgebet zwei Wochen nach der Friedensdekade als ?Montags-Friedensgebet? dauerhaft in der Nikolaikirche durchzuf?hren. Anfangs gestalteten die Jugendlichen die Friedensgebete in eigener Verantwortung, erst sp?ter nutzten auch die aus dem kirchlichen Umfeld gegr?ndeten Basisgruppen die Veranstaltungen um ihre Interessen zu vertreten. Sie ?bernahmen ab Mitte der 1980er Jahre im w?chentlichen Wechsel die inhaltliche Ausgestaltung. Die Koordination oblag Pfarrer Christoph Wonneberger. Ab diesem Zeitpunkt kam es zu einem Zusammengehen von kirchlicher Gemeindearbeit, Ausreisewilligen und Oppositionellen, was die Friedensgebete zunehmend politisierte. Im Sommer und Herbst 1988 schien den Leipziger Friedensgebeten ein j?hes Ende bevorzustehen. Die staatlich veranlassten innerkirchlichen Auseinandersetzungen zwischen Kirchenleitung, einzelnen Pfarrern und den Basisgruppen erreichte ihren H?hepunkt. Stein des Ansto?es war das Friedensgebet vom 27. Juni 1988, in dem eine Kollekte zur Finanzierung einer Geldstrafe gesammelt wurde. Die Kirchenleitung gab daraufhin dem Dr?ngen der SED nach und entband Christoph Wonneberger und die Basisgruppen von der inhaltlichen Gestaltung der Friedensgebete. Da den Gruppen dieses Forum entzogen wurde, waren sie bereit, ihren Protest st?rker als bisher in die ?ffentlichkeit zu verlegen. Eine unmittelbare Folge war die Etablierung des Nikolaikirchhofes als Versammlungsort.

Demonstrationen und Protestm?rsche h?uften sich in Leipzig, die aber oftmals von Volkspolizei (VP) und Ministerium f?r Staatssicherheit (MfS) aufgel?st wurden. In den Friedensgebeten wurde f?r politisch Inhaftierte und durch die Eins?tze der Sicherheitskr?fte Verletzte gebetet. Aufgrund der dramatisch ver?nderten innenpolitischen Lage und dem F?rsprechen einzelner Pfarrer, wie Christoph Wonneberger, Christian F?hrer und Rolf-Michael Turek wurden die Friedensgebete ab April 1989 wieder in ihrer alten Form unter dem Namen ?Montagsgebete? abgehalten. Durch die Aufdeckung der F?lschung der Kommunalwahl vom 7. Mai 1989 erh?hte sich der Zulauf zu den w?chentlichen Veranstaltungen, die schon l?nger als Ort der Meinungsfreiheit bekannt waren.

Nach der Sommerpause begannen die Friedensgebete am 4. September 1989 wieder. Den Nikolaikirchhof beherrschten an diesem Montagabend die ?Ausreiser? mit dem massenhaften Ruf ?Wir wollen raus?. Andere Demonstranten setzten dem erstmals ?Wir bleiben hier? entgegen. Die Bilder der Kameras von ARD und ZDF gingen um die Welt. In der Bev?lkerung wuchs die Bereitschaft zum offenen Widerspruch gegen das SED-Regime. Leipzig und seine mont?glichen Friedensgebete wurden zum Zentrum des Protestes. Von Woche zu Woche kamen mehr Personen auf den Nikolaikirchhof. Am 25. September 1989 demonstrierten erstmals 5.000 auf dem Ring. Nur eine Woche sp?ter waren es schon 20.000. Der SED-Staat reagierte mit zunehmender Polizeigewalt.

Am 9. Oktober 1989 demonstrierten trotz gro?er ?ngste nach den Friedensgebeten in vier Leipziger Kirchen mindestens 70.000 B?rger mit den Losungen ?Keine Gewalt? und ?Wir sind das Volk? gegen das SED-Regime. Tausende waren extra nach Leipzig gereist. Angesichts dieser Massen mussten sich die Sicherheitskr?fte zur?ckziehen. Der friedliche Verlauf des 9. Oktober 1989 ? dem Tag der Entscheidung ? wurde als Sieg ?ber die Staatsmacht empfunden.


Glossar
Literatur