Runde Tische

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W?hrend der Friedlichen Revolution 1989 machten Vertreter der Opposition schnell deutlich, dass sie sich mit den von der SED unmittelbar nach der Massendemonstration vom 9. Oktober 1989 in Leipzig angebotenen Dialogen nicht zufrieden geben w?rden. Vielmehr verlangten sie eine politische Teilhabe. ?berall im Land wurde die Einsetzung von ?Runden Tischen? gefordert. Vor dem Hintergrund der sich versch?rfenden Krise musste sich die SED dem Druck beugen. Sie versuchte allerdings, dies als ihre Initiative darzustellen. Der Zentrale Runde Tisch (ZRT) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) konstituierte sich am 7. Dezember 1989 in Berlin. Auf regionaler und kommunaler Ebene bildeten sich ?hnlich strukturierte Foren. In Leipzig traf sich bereits am 1. Dezember 1989 eine Initiativgruppe Runder Tisch. Die erste regul?re Sitzung des Runden Tisches des Bezirkes Leipzig fand am 19. Dezember 1989 statt. Der Runde Tisch der Stadt Leipzig (RTSL) trat am 3. Januar 1990 zu seiner ersten Arbeitssitzung zusammen. In dieser Phase der Friedlichen Revolution spielten die Runden Tische eine wichtige Rolle im Ringen um das Machtmonopol der SED. Diese wehrte sich energisch gegen den Machtverlust.

Im November 1989 versuchte die SED den gesellschaftlichen Druck durch die ?ffnung des Grenzverkehrs und den Austausch von ranghohen SED-Parteifunktion?ren, auf die sich die ?ffentliche Emp?rung konzentrierte, zu verringern. Damit wollte sie einerseits die Schuld an den Verh?ltnissen in der DDR einzelnen Personen wie Erich Honecker und Erich Mielke anlasten, andererseits ging es ihr doch weiterhin um den Machterhalt im Staat. Die Forderung der Opposition den Einfluss der Partei durch Aushandlungsmechanismen am ?Runden Tisch? zu begrenzen und den ?bergang von der SED-Diktatur in einen demokratischen Staat voranzutreiben, war ihr v?llig fremd. Die Vorstellungen der Oppositionsgruppen orientierten sich an den polnischen und ungarischen Zusammenbruchsszenarien, wo die Macht?bergabe Ergebnis friedlicher Verhandlungen war. Nur z?gerlich und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, zeigte sich Egon Krenz (SED-Generalsekret?r und Vorsitzender des Staatsrats und des Nationalen Verteidigungsrats der DDR von Oktober bis Dezember 1989) Ende November 1989 gespr?chsbereit. Der oppositionelle Aufruf zu Verhandlungen wurde folglich durch das SED-Presseorgan ?Neues Deutschland? und durch Egon Krenz als Einladung der SED-Parteispitze zu Gespr?chen umgedeutet. Unterdessen hatten sich aus der B?rgerbewegung immer mehr neue Gruppen und Parteien gegr?ndet, die zwar alle einen umfangreichen Forderungskatalog aufweisen konnten, denen aber aus Gr?nden der jahrelangen Nichtpolitisierung der Gesellschaft das politische Profil und die praktischen Kenntnisse fehlten, als gleichberechtigte Verhandlungspartner neben der SED auftreten zu k?nnen. Die Arbeitsbedingungen der ?neuen Kr?fte? auf der politischen B?hne wurden weitestgehend erschwert. Zur Hauptaufgabe des ?Runden Tisches? z?hlte es, die Machtstrukturen der SED bis auf die Ortsebene hin aufzul?sen. Aus diesem Grund hatten sich in vielen St?dten bereits vor Einberufung eines ZRT in Berlin regionale Initiativgruppen (wie in Leipzig) gegr?ndet. Nach Meinung der Oppositionellen war der ?Runde Tisch? ein Instrument, den friedlichen gesellschaftlichen Umbruch zu gew?hrleisten sowie politische M?ndigkeit und b?rgerschaftliche Emanzipation zu lernen. F?r die SED hingegen war die Institution ein Mittel, die Gesellschaft mit Gespr?chen zu beruhigen, Regierung und Volkskammer zu st?rken und Zeit f?r die Restrukturierung der Alleinherrschaft zu erhalten. In dieser Ausgangslage tagte der ZRT erstmalig am 7. Dezember 1989. Mit je 3 Stimmen sa?en die SED und die Blockparteien Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDU), Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD), Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD) und National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD) den, mit je zwei Stimmen ausgestatteten, oppositionellen Kr?ften Demokratischer Aufbruch (DA), Demokratie Jetzt (DJ), Initiative f?r Frieden und Menschenrechte (IFM), Sozialdemokratische Partei der DDR (SDP), Vereinigte Linke (VL) und den Gr?nen gegen?ber. Einzig das Neue Forum (NF) erhielt 3 Sitze. Zur zweiten Sitzung wurde das 30-sitzige Gremium mit je zwei Sitzen f?r den Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) und die Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) sowie f?r die Gr?ne Liga und den Unabh?ngigen Frauenverband (UFV) erg?nzt. Moderiert wurden alle 16 Sitzungen von den Kirchenvertretern Martin Ziegler, Karl-Heinz Ducke und Martin Lange. Schon zu Beginn der Beratungen zeigte sich, dass sich die politische Zielsetzung der teilnehmenden Gruppierungen stark unterschied. W?hrend sich SDP und DA strikt f?r eine deutsche Einheit mit all ihren Konsequenzen stark machten, CDU und LDPD diesen Vorstellungen folgten, sprachen sich SED, DBD und Teile der Opposition gegen diese Perspektive und f?r die Schaffung einer ?besseren DDR? aus. Trotz dieser gegens?tzlichen deutschlandpolitischen Vorstellungen gelang es dem Gremium die entscheidenden Weichenstellungen f?r eine Demokratisierung des Systems zu stellen. Das Ministerium f?r Staatssicherheit (MfS) und dessen Nachfolgeinstitution das Amt f?r Nationale Sicherheit (AfNS) wurde aufgel?st, eine neue DDR-Verfassung ausgearbeitet, die Vorbereitungen zur Wahl der Volksversammlung vorangetrieben.

Mit den ?Runden Tischen? wurden Kriseninstrumente entwickelt, die Kontroll-, Beschluss- und Exekutivfunktionen ?bernahmen, nicht zuletzt deshalb, weil viele Parteifunktion?re der SED zur?cktraten und die kommunalen Verwaltungen nicht mehr arbeitsf?hig waren. Im Januar 1990 musste etwa in Leipzig die Stadtverordnetensammlung aufgrund der massiven Wahlf?lschungsvorw?rfe (Kommunalwahl vom 7. Mai 1989) geschlossen zur?cktreten. Vertreter des ?Runden Tisches? der Stadt ?bernahmen damit auf kommunaler Ebene deren Funktion, ohne dass eine Legitimierung vorgelegen h?tte. Diese Entwicklung lie? sich in vielen St?dten und Gemeinden der DDR beobachten. Auch in Berlin verschwommen die institutionellen Grenzen zwischen DDR-Regierung und dem ZRT. H?hepunkt dieser Tendenz war die formale Beteiligung des Gremiums an einer ?Regierung der nationalen Verantwortung? seit dem 28. Januar 1990. Der Wahltermin f?r die neue Volkskammer wurde auch deshalb vom 6. Mai 1990 auf den 18. M?rz 1990 vorverlegt. Als das rechtm??ige Wahlergebnis feststand, hatte der ?Runde Tisch? seine Funktion verloren. Die staatliche Macht lag in den H?nden einer durch freie, gleiche und geheime Wahlen legitimierten Volksversammlung.


Glossar
Literatur