Umwelt-Bibliothek (UB)

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Die Umwelt-Bibliothek (UB) im Keller des Gemeindehauses der Zionskirchgemeinde in Ost-Berlin war von 1986 bis 1990 ein bedeutender Treffpunkt der oppositionellen Umwelt-, Friedens- und Dritte-Welt-Bewegung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR).

Die Begr?nder verstanden die UB als Institution, die in der Tradition der osteurop?ischen ?fliegenden Universit?ten? und ?fliegenden Bibliotheken?, als alternative Bildungseinrichtung in Privatr?umen das steigende Informationsbed?rfnis der Oppositionsgruppen und der ?ffentlichkeit befriedigen sollte. Die UB in Berlin war zwar nicht die erste Einrichtung, die Oppositionsliteratur in der DDR sammelte, sie wurde aber schon kurz nach der Er?ffnung zu einem bedeutenden Kommunikationszentrum der Berliner und sp?ter der DDR-Opposition. Bereits Anfang der 1980er Jahre existierten in Berlin eine Friedensbibliothek, ein ?Leseladen? in Jena und eine Umweltbibliothek in Erfurt, welche aber keine ?berregionale Bedeutung erlangen konnten.

Organisatorisch war die UB in Bibliothek, Galerie, Redaktion und Druckerei gegliedert. Der Bestand der Pr?senzbibliothek umfasste ca. 500 B?cher und Brosch?ren, von denen ein Gro?teil aus dem Westen stammte. Mit Hilfe der Sammlung, die Umweltfragen, Friedens- und Dritte-Welt-Bewegung verkn?pfte, konnte das staatliche Informationsmonopol gebrochen werden. In der Galerie standen Ausstellungsfl?chen zur Verf?gung, die staatlich unerw?nschte K?nstler zur Pr?sentation ihrer Werke nutzten. Auch wurden in diesen R?umen Informationsveranstaltungen, Diskussionen und Vortr?ge veranstaltet. Die Redaktion fungierte aufgrund der weit ?ber hundert ?Postf?cher? als Sammelstelle und Verteiler von Informationen, die von Oppositionsgruppen landesweit zusammengetragen wurden. Damit stellte die UB die Zentrale eines Informationsnetzwerkes dar, das auch ?ber die Grenzen der DDR bekannt war und im Fokus des Ministeriums f?r Staatssicherheit (MfS) stand.

Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit der UB-Mitarbeiter bildete die Herstellung und Verbreitung der Samisdat-Zeitschrift ?Umweltbl?tter?, welche DDR-weite Bedeutung erlangte ? dem staatlichen Medienmonopol wurde eine eigenst?ndige Publikation entgegengesetzt. Da diese offiziell als ?Innerkirchliche Information? erschien, war die Zeitschrift im ?ffentlichen Raum geduldet. In der UB-Druckerei druckte man aber nicht nur die ?Umweltbl?tter?, hier wurden auch zahlreiche andere Publikationen der Opposition ? wie einige Ausgaben der von der Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM) herausgegebenen illegalen Zeitschrift ?Grenzfall? ? und auch Flugbl?tter vervielf?ltigt. Aus diesem Grund wurden in der Nacht vom 24. zum 25. November 1987 auch die UB-R?ume von der Staatssicherheit und der Generalstaatsanwaltschaft wegen staatsfeindlicher Aktivit?ten durchsucht (Aktion ?Falle?). Ziel dieser Aktion war eigentlich die Festsetzung der Drucker und Redakteure des ?Grenzfall?, doch waren nur UB-Aktivisten anwesend, die gerade die neueste Ausgabe der ?Umweltbl?tter? herstellten. Sie wurden festgenommen und ihre Druckmaschinen konfisziert. Aufgrund internationaler Solidarit?tsbekundungen, ?ffentlicher Mahnwachen und ?andachten musste die Staatssicherheit die Inhaftierten wieder freilassen. Der Bekanntheitsgrad der UB wurde so unbeabsichtigt von der Staatsmacht erh?ht, die Bibliothek avancierte nicht nur in Berlin zum Symbol f?r erfolgreichen Widerstand gegen das Regime.

Im Jahr 1988 spaltete sich das ?Gr?n-?kologische Netzwerk Arche? von der UB ab. Diese Gruppierung strebte eine landesweite Vernetzung der ?kologiegruppen und damit eine Professionalisierung der ?ko-Thematik an, was von der Mehrheit der UB-Mitglieder abgelehnt wurde. Der Konflikt zwischen den beiden Lagern wurde durch Inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit (IM) noch versch?rft.

Ab 1989 dokumentierten die ?Umweltbl?tter? in vermehrtem Ma?e die Aktivit?ten fremder Oppositionsgruppen und trugen entscheidend dazu bei, eine Gegen-?ffentlichkeit herzustellen. Die Bedeutung der UB konnte aber ?ber den Herbst 1989 nicht aufrechterhalten werden, da sie ihre Einzigartigkeit als Informationsplattform schnell verloren hatte. Die vielf?ltigen landesweiten Protestformen der B?rgerbewegung zeigten ihre Wirkung eben auch im stetig zunehmenden Autorit?tsverlust des SED-Staates. Nach 1990 ging aus der UB ein eingetragener Verein hervor, der das Matthias-Domaschk-Archiv personell unterst?tzte und die bisherige Arbeit der UB fortf?hrte. Im Jahr 1998 l?ste sich die UB dann auf.


Glossar
Literatur