Samisdat

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Aus dem Russischen stammender Begriff f?r ?Selbstverlag?, der die illegale Verbreitung von alternativer, nicht systemkonformer und offiziell verbotener und unlizenzierter Literatur bezeichnet. Der Samisdat war in Russland bereits vor der Gro?en Sozialistischen Oktoberrevolution von 1917 bekannt und gewann ab den 1950er Jahren in den osteurop?ischen (sozialistischen) Staaten an Bedeutung. In nennenswerten Umfang gab es ihn vor allem in der Sowjetunion, der Volksrepublik Polen, der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), der Tschechoslowakischen Republik und der Volksrepublik Ungarn. F?r viele Schriftsteller und oppositionelle Gruppen war der Samisdat der einzige Weg ihre Werke und Texte ?ffentlich zu machen.

In der DDR gelang es der SED nie, den selbst auferlegten Anspruch auf vollst?ndige Kontrolle der Medien zu erf?llen. Neben Staatspresse und Staatsrundfunk stellten schriftliche Meinungs?u?erungen, die ohne staatliche Genehmigung hergestellt wurden, eine ?zweite? ?ffentlichkeit her. Darunter fielen neben eigens produzierten und vervielf?ltigten Texten der B?rger, auch Literatur die im Schutzraum der evangelischen Kirche entstand. Diese hatte sich durch die Druckgenehmigungsordnung von 1959 einen Sonderstatus erwirkt: ben?tigten Kirchenzeitungen eine staatliche Lizenz, waren innerkirchliche Mitteilungen und Schriften bis zur Auflagenh?he von 100 St?ck von dieser Beschr?nkung ausgenommen (die Herausgeber der Samisdat-Literatur bedienten sich dieses Paragrafen der staatlichen ?Anordnung ?ber das Genehmigungsverfahren?). Dies galt im ?brigen auch f?r interne Druckerzeugnisse ?ffentlicher Institutionen, wie Parteien, Massenorganisationen, oder Betrieben.

Zu den selbst ver?ffentlichten und dem Samisdat zuzurechnenden Schriften der Opposition in der DDR z?hlen im allgemeinen Flugbl?tter, k?nstlerisch-literarische Periodika in Auflagen von 20 bis 200 Exemplaren, etwa 50 Zeitschriften, Informationshefte, politische Periodika in Auflagen bis teilweise mehrere 1.000 Exemplare und andere Schriften, die einen kirchlichen, gesellschaftlichen oder politischen Bezug aufweisen. Die verbotenen Texte wurden abgeschrieben, abgetippt, fotokopiert, hektographiert oder mit Schablonen vervielf?ltigt.

Die vielf?ltige Samisdat-Landschaft der DDR l?sst sich nur schwer differenzieren. Bis zum Mauerbau 1961 z?hlten vor allem in Westberlin und der Bundesrepublik hergestellte und dann heimlich nach Ostberlin transferierte Materialien zu den verbotenen Schriften. In den 1970er Jahren entwickelte sich in den kirchlichen Gemeinden eine rege Publikationst?tigkeit zu gesellschaftlichen Fragen wie Abr?stung, Umweltschutz oder Feminismus. Eine wichtige Funktion ?bernahmen dabei die Theologische Studienabteilung (ThSA) und das Kirchliche Forschungsheim Wittenberg (KFH). Auch gingen zu dieser Zeit immer mehr K?nstler und Schriftsteller dazu ?ber, ihre Werke in kleinster Auflage und mit eigenen einfachen Mitteln zu vervielf?ltigen und zu ver?ffentlichen. Diese Erzeugnisse erhoben einen k?nstlerischen Anspruch und wurden vom Ministerium f?r Staatssicherheit (MfS), weil sie sich au?erhalb des offiziellen Kulturbetriebes bewegten, streng beobachtet, waren aber f?r die Entwicklung einer Gegen?ffentlichkeit weniger von Bedeutung. Dies blieb dem politischen Samisdat der 1980er Jahre vorbehalten. Es zeichnete sich dadurch aus, dass in diesen Publikationen Informationen, die nur schwer zug?nglich waren, gesammelt und ver?ffentlicht wurden, was zu einer Vernetzung der Oppositionsgruppen und zu einer staatlich schwer kontrollierbaren Kommunikationsebene f?hrte. Der inhaltliche und f?rmliche Charakter der selbst verlegten Schriften ?nderte sich zunehmend. Politische Thematiken, mit deutlich systemkritischen Inhalten gewannen an Bedeutung, Auflagen vergr??erten sich dank der Vervielf?ltigungsger?te, welche die evangelischen Gemeinden zur Verf?gung stellten, der religi?se Bezug nahm nichtsdestotrotz immer mehr ab. Die Vermerke ?innerkirchliche Information? oder ?Nur f?r den innerkirchlichen Dienstgebrauch? auf den Schriften wurden hingegen weitestgehend beibehalten, um die Grenze zur Illegalit?t nicht zu ?bertreten. Einige Samisdat-Periodika hingegen, beispielsweise der ?Grenzfall? und der ?mOAning star? erschienen ohne diesen Vermerk, was den staatlichen Verfolgungsdruck enorm erh?hte - als Beispiel sei nur der ?berfall auf die Berliner Umwelt-Bibliothek (UB) durch die Staatssicherheit im November 1987 genannt.

In ihrer Wirksamkeit darf die Samisdat-Kultur der DDR jedoch nicht ?bersch?tzt werden, ihre meinungsbildende Reichweite war eher auf einen engen Kreis von Menschen begrenzt, die sich per se in oppositionellen Kreisen bewegten. Aber das Erscheinen dieser Schriften trug wesentlich zur Formierung einer oppositionellen Bewegung bei, aus der sich heraus der Willen zur Ver?nderung des politischen Systems formulierte.


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