Leipziger Stra?enmusikfestival am 10. Juni 1989

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F?r den 10. Juni 1989 luden Leipziger Oppositionsgruppen zu einem Stra?enmusikfestival nach Leipzig ein. Zu den Mitinitiatoren und Akteuren geh?rten auch Katrin Hattenhauer und Jochen L??ig. Trotz eines Verbotes der Veranstaltung durch die staatlichen Beh?rden reisten zahlreiche Musiker aus der ganzen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nach Leipzig und begannen hier zu spielen. Im Laufe des Tages wurde das Musikfestival durch die Sicherheitsorgane gewaltsam aufgel?st.

In der DDR wurde das Erbe Leipzigs als Stadt der Musik gepflegt. Hier hatten weltber?hmte Musiker wie Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn Bartholdy oder Richard Wagner gelebt und gewirkt. Gewandhaus, Thomanerchor und Opernhaus waren Einrichtungen mit Weltruf und galten als Aush?ngeschilder des sozialistischen Kulturschaffens. Jede Regung selbst bestimmter Kultur, abseits des staatlich gef?rderten Kunstbetriebes, wurde dagegen beargw?hnt, behindert oder unterbunden. Zentrales Instrument der Reglementierung von Musikern war die staatlich vergebene Spielerlaubnis. Wer ohne diese auftrat, musste mit Verfolgung rechnen und machte sich strafbar. In Leipzig waren die Vorgaben besonders radikal umgesetzt worden. Versuche, auf Leipzigs Stra?en eigenst?ndig zu musizieren, wurden verhindert. Auf entsprechende Nachfragen antworteten die Beh?rden mit fadenscheinigen Begr?ndungen. Die Anwohner der Innenstadt w?ren zum Beispiel mit Stra?enmusik nicht einverstanden und der Ruf Leipzigs als Stadt der Musik gef?hrdet.

Mitglieder der Leipziger Oppositionsbewegung organisierten ein Festival f?r alternative Musik- und K?nstlergruppen. Ihr Ziel war, das Leben in Leipzig f?r einen Tag bunter und ausgelassener zu gestalten. Au?erdem wollten sie auf diesem Weg ?ffentlich ein Zeichen f?r die Legalisierung von Stra?enmusik setzen. Die Veranstaltung war so auch als politische Demonstration angelegt. Die Organisatoren erwarteten zahlreiche Teilnehmer und dadurch eine hohe Breitenwirkung sowie Schutz vor Verfolgung. Das Bem?hen um eine offizielle Genehmigung des Stra?enmusikfestivals scheiterte. Die Beh?rden verboten die Veranstaltung. Dennoch gaben die Initiatoren den Termin DDR-weit bekannt und bereiteten das Musikfest weiter vor. Volkspolizei und Ministerium f?r Staatssicherheit (MfS) versuchten die Vorbereitung und Durchf?hrung des Stra?enmusikfestivals, das unter dem Motto ?Freiheit mit Musik? stand, zu verhindern. Noch intensiver als zuvor verfolgten sie jede stra?enmusikalische Regung in Leipzig.

Am 10. Juni 1989 trafen in Leipzig zahlreiche Musiker aus der gesamten DDR zusammen. Bis in die Mittagsstunden spielten sie zur Freude der meisten Leipziger in der Innenstadt. Dann begannen die Sicherheitskr?fte, Musikanten, aber auch Unbeteiligte gewaltsam auf Lastkraftwagen (LKW) zu verladen. Das unverh?ltnism??ige Vorgehen der Polizisten sorgte bei Zuschauern und Passanten f?r Emp?rung. Vor dem Polizeirevier in der Ritterstra?e forderte eine Menschenmenge die Freilassung der Inhaftierten. Von dort vertrieben, begannen einige erneut auf dem Marktplatz zu singen und zu tanzen. Kurz vor Beginn der Motette des Thomanerchores wurden vor der Thomaskirche Musiker sowie Schaulustige eingekesselt und ebenfalls festgenommen. Immer wieder spielten an verschiedenen Orten Musikanten und formierten sich Menschen zum friedlichen Protest gegen die Verhaftungen. Diese dauerten bis etwa 21.30 Uhr an. Insgesamt wurden 84 Menschen festgenommen. Von den 84 Personen kamen 53 nicht aus dem Bezirk Leipzig, was die Beh?rden zus?tzlich beunruhigte.

Die hysterische Reaktion des SED-Staates auf das Musizieren in der Leipziger Innenstadt, wenige Tage nach der blutigen Niederschlagung der Studentenproteste in Peking, sch?rte ?ngste, aber auch Emp?rung bei vielen Menschen. Die Wirkungen des Stra?enmusikfestivals in dieser angespannten politischen Situation reichten weit ?ber Leipzig hinaus. Berichte dar?ber wurden nur in innerkirchlichen Samisdatschriften ver?ffentlicht. Viele B?rger wandten sich mit Eingaben und Beschwerden an die Beh?rden. Als direkte Reaktion auf die Ereignisse am 10. Juni in Leipzig lud Gewandhauskapellmeister Professor Kurt Masur am 28. August 1989 zur Veranstaltung ?Stra?enmusik in Vergangenheit und Gegenwart? ein. Diese ?Begegnung im Gewandhaus? (big) erm?glichte eine erste ?ffentliche Diskussion ?ber die anstehenden Probleme und gab den Organisatoren ein offizielles Podium. Zu diesem Zeitpunkt war dies eine mutige Entscheidung. Das S?chsische Tageblatt, die Leipziger LDPD-Zeitung, berichtete nun ?ber das verbotene Stra?enmusikfestival, w?hrend die SED-Medien weiterhin dar?ber schwiegen.


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