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Dienstag, den 09. Oktober 2001

Offener Brief an Friede Springer

Kategorie: Pressemitteilung
Von: Bürgerkomitee Leipzig e.V.

Friede Springer

Axel-Springer-Straße 65

D-10888 Berlin

 

Sehr geehrte Frau Springer,

die Debatte um die Stasi-Vergangenheit Klaus-Dieter Kimmels, des stellvertretenden Chefredakteurs der Bild-Zeitung, ist vor wenigen Tagen wieder aufgelebt. Wir hatten bereits im April dieses Jahres in zwei Schreiben Ihnen gegenüber unsere große Besorgnis über die Berufung des einstigen inoffiziellen Mitarbeiters des MfS auf einen medienpolitisch derart bedeutsamen Posten geäußert. Wir wussten uns dabei in Übereinstimmung mit zahlreichen weiteren Initiativen, Verbänden, Gedenkstätten und Stiftungen, die versuchen, DDR-Unrecht beim Namen zu nennen, Täter zur Verantwortung zu ziehen und Opfern zumindest im Nachhinein Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Ein von Ihrem Haus in Auftrag gegebenes Gutachten des Historikers Hubertus Knabe zeigt nun, dass diese Besorgnis nicht unbegründet ist. Wie kürzlich bekannt wurde, ergaben die Recherchen, dass Klaus-Dieter Kimmel die von ihm bespitzelten Personen "schwer belastet und ihnen nachhaltig Schaden zugefügt" hat. Die Spitzelarbeit des IM sei "von hoher Qualität und großem Nutzen für die Stasi" gewesen. Dies steht im klaren Gegensatz zu der Einschätzung, die der Axel-Springer-Verlag bei der Wiedereinstellung Kimmels im März dieses Jahres getroffen hatte. Damals hieß es in einer Pressemitteilung: "Eine eingehende Untersuchung hat ergeben, dass Art, Umfang und Umstände seiner Tätigkeit Kimmel entlasten."

Ein ausgewiesener Kenner der MfS-Problematik hat diese Einschätzung nach intensiven Nachforschungen nun widerlegt. Es ist daher geboten, dass der Axel-Springer-Verlag die Konsequenzen aus den vorliegenden Erkenntnissen zieht. Ein Mann, der mehrere Jahre wissentlich die DDR-Diktatur gefördert und dabei nachweislich anderen Menschen geschadet hat, darf nicht länger die Geschäfte der meistverkauften Zeitung Deutschlands führen. Die Entlassung Klaus-Dieter Kimmels scheint uns die einzige Möglichkeit, das Ansehen des Axel-Springer-Verlags und der politischen Kultur in unserem Land zu wahren. Die Glaubwürdigkeit Ihres Blattes und des Verlages dürfte kaum gewinnen, wenn die Bild in der Zuständigkeit eines einstigen MfS- Zuträgers die IM- Vergangenheit von Moderatoren des Mitteldeutschen Rundfunks in großen Lettern auf der Titelseite brandmarkt, wie jüngst in Zusammenhang mit Ingo Dubinski geschehen.

Zu Recht hat der Chefredakteur der SuperIllu, nachdem die Stasi-Kontakte seiner Stellvertreterin bekannt geworden waren, unmissverständlich verkündet: "In einem Blatt, in dem politische Themen behandelt werden, sind Stasi-Leute nicht tragbar." Klaus-Dieter Kimmel ist ungeeignet als Meinungsbildner - ganz besonders für die Ost-Ausgaben der Bild, die in seine Zuständigkeit fallen -, weil er die Bemühungen um eine ernsthafte Aufarbeitung der DDR-Diktur nie objektiv journalistisch darstellen kann, und vermutlich auch nicht will. Die Berufung Kimmels in die Chefetage der Bild unterläuft darüber hinaus jegliches Moralverständnis. Die Lehre, die nachfolgende Generationen aus dieser Personalentscheidung ziehen können, lautet: Zivilcourage in Diktaturen lohnt sich nicht; Willfährigkeit dagegen ist von persönlichem Nutzen und wird auch im Nachhinein nicht geahndet.

Wir bitten Sie daher ganz persönlich, die vielen Bedenken gegen die Tätigkeit Klaus-Dieter Kimmels als stellvertretender Chefredakteur von Bild ernst zu nehmen und diesen von seinem verantwortungsvollen Posten zu entbinden. Wir wissen, dass Sie sich als die Verwalterin des Vermächtnisses von Axel Springer sehen. Dieser hat den Kommunismus und dessen Auswüchse über seine Blätter stets hart angegriffen.

Es dürfte nicht im Sinne der Verlagstradition sein, wenn dasselbe Unternehmen heute einen ehemaligen Träger des sozialistischen Systems auf einem Spitzenposten beschäftigt. Wir hoffen daher, dass Sie die gebotenen Konsequenzen aus dem nun vorgelegten Gutachten ziehen.

Mit freundlichen Grüßen

für den Vorstand

Dr. Konrad Taut