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Liedermacher und Stasi-Häftling Karl-Heinz Bomberg singt anläßlich des 31. Jahrestages der Stasi-Besetzung in der "Runden Ecke" im Live-Stream am 4. Dezember 2020 um 16.00 Uhr
Kategorie: PressemitteilungLiedermacher und Stasi-Häftling Karl-Heinz Bomberg singt anläßlich des 31. Jahrestages der Stasi-Besetzung in der "Runden Ecke" im Live-Stream am 4. Dezember 2020 um 16.00 Uhr.
Die Zerschlagung von Mielkes „Ministerium der Angst“ wurde vor 31 Jahren Wirklichkeit: Wie in vielen Städten der DDR wurden am 4. Dezember 1989 während einer Montagsdemonstration auch in Leipzig die Stasi-Dienststellen besetzt. Damit war eine zentrale Stütze der SED-Diktatur demontiert und ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einem demokratischen Rechtsstaat gegangen. Zugleich stoppten die Bürger die seit Wochen laufende Aktenvernichtung und sicherten die vorgefundenen Unterlagen. Die Arbeitsweise eines Geheimdienstes konnte so transparent gemacht werden.
Aufgrund der Corona-bedingten Einschränkungen kann in diesem Jahr erstmals keine Veranstaltung stattfinden. Um an dieses wichtige Datum dennoch zu erinnern, wird der Liedermacher und Stasi-Häftling Karl-Heinz Bomberg im Eingangsbereich der „Runden Ecke“ einige seiner Lieder vortragen und dies im Live- Stream auf dem Youtube-Kanal der Gedenkstätte zu erleben sein.
Am 4. Dezember 2020 erinnert das Bürgerkomitee Leipzig e.V. an die Besetzung der Leipziger Bezirksverwaltung für Staatssicherheit und damit auch an seine Gründung. Mit der Besetzung am 4. Dezember 1989 erfüllte sich für die Bürger ein lang gehegter Traum: Die Zerschlagung von Mielkes „Ministerium der Angst“. Die „Runde Ecke“ war in Leipzig das Synonym für die zerstörerische Arbeit des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Die Stasi sah sich als „Schild und Schwert der Partei“, der SED, die ihren Führungsanspruch sogar in der Verfassung der DDR festgeschrieben hatte.
4. Dezember 1989 – Besetzung der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit in Leipzig
Wochenlang war die „Runde Ecke“ ein wichtiger Kristallisationspunkt der Herbstdemonstrationen. Noch im September war die erste Demonstration auf dem Friedrich-Engels-Platz umgekehrt und so der befürchteten Konfrontation mit der Stasi ausgewichen. Später, von Montag zu Montag mutiger geworden, artikulierten sie gerade vor der pompösen Bezirksverwaltung am Dittrichring ihre Forderung nach Abschaffung des „Schild und Schwert“ der SED-Diktatur. Der Zorn der Menschen war so groß, dass hier immer wieder die Gefahr einer gewaltsamen Eskalation bestand. Um den weiteren gewaltlosen Verlauf der Proteste zu sichern, verhandelten am Nachmittag des 4. Dezember 1989 Vertreter der neuen demokratischen Gruppierungen mit dem Leipziger Stasi-Obristen über eine Kontrolle des Stasi-Gebäudes.
Als Ergebnis dieser Verhandlung gelang es am Abend einer Gruppe von 30 Bürgern, das Gebäude, die „Runde Ecke“, friedlich zu besetzen. Eine der wesentlichen Forderungen der vergangenen Wochen war nun in die Tat umgesetzt: die Macht der verhassten Staatssicherheit wurde endgültig gebrochen. Die Berichte der Journalisten, die die Demonstranten in das Gebäude begleitet hatten, gingen an diesem Abend um die ganze Welt. Millionen Zuschauer sahen die abgedunkelten Gänge, verschlossenen Türen und die Verunsicherung der einst Mächtigen, die kaum fähig waren, das auch für sie Unfassbare zu verstehen. Draußen vor den Toren standen die Leipziger Bürger und feierten singend ihren friedlichen Triumph: „So ein Tag, so wunderschön wie heute, ...“.
Das sich in dieser Nacht bildende Bürgerkomitee setzte den sofortigen Stopp der seit Wochen laufenden Aktenvernichtung durch und sicherte alle vorgefundenen Unterlagen und Objekte. In den kommenden Wochen machte es die Arbeitsweise der kommunistischen Geheimpolizei transparent. Damit begann die unumkehrbare Demontage des Unterdrückungsapparates, der jahrzehntelang die eigene Bevölkerung im Auftrag der SED überwacht, eingeschüchtert und seiner äußeren und inneren Freiheit beraubt hatte.
Die weitblickende Forderung damaliger Demonstranten „Runde Ecke Schreckenshaus – Wann wird ein Museum draus?“ ist heute am authentischen Ort Wirklichkeit geworden.
Der friedliche Umgang mit der Stasi 1989/90 ist zukunftsweisend
Erst die Sicherung der Akten und die dadurch ermöglichte Aufklärung über die Funktionsweise der SED-Diktatur ließ auch eine Aufarbeitung der Geschichte zu. Da die Besetzung friedlich blieb, wurde auch ein reflektierter Umgang mit den Trägern der Diktatur möglich, was jedoch oft auch ungenutzt blieb oder die Beteiligten persönlich überforderte.
Der Ruf „Keine Gewalt“ war gerade an der „Runden Ecke“ so relevant, wie an keinem anderen Ort der Montagsdemonstrationen in Leipzig. Der Zorn der Menschen auf die Stasi war immens und doch gelang es auch in einer derart aufgeladenen Umbruchsituation die Konflikte gewaltfrei auszutragen. Die Friedlichkeit der Besetzung sowie der Umgang mit den Trägern der Diktatur ist eine Erfahrung, aus der wir für die heutigen Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner oder für das Ringen um die künftige Entwicklung unserer Gesellschaft lernen sollten.
Liedermacher und Stasi-Häftling Karl-Heinz Bomberg singt in der „Runden Ecke“ zum Jahrestag der Stasi-Besetzung im Live-Stream
Der 1955 in Thüringen geborene Karl-Heinz Bomberg studierte von 1976 bis 1982 in Leipzig Medizin. Schon früh wandte er sich auch der Musik zu und spielte in verschiedenen Orchestern. 1981 trat er auf dem Potsdamer Gitarrenfest erstmals mit einem eigenen Programm auf. Seine Liedtexte wurden zunehmend kritischer, so dass ein Konzert im Leipziger Studentenclub „Moritzbastei“ durch einen stellvertretenden Minister für Hoch- und Fachschulwesen unterbrochen wurde wurden. Danach hatte er Auftrittsverbot und spielte nun überwiegend in Kirchen.
Eine Aufnahme mit verschiedenen kritischen Liedern gelangte über einen IM an die Staatssicherheit, die einen Operativen Vorgang (OV) „Sänger“ gegen ihn führte. Im Februar 1984 wurde Bomberg an seinem Arbeitsplatz verhaftete und landete in der Stasi-Untersuchungshaft. Die Erfahrungen von Haft und Verfolgung durch Stasi und SED verarbeitete Bomberg in seinen Liedern und Texten.
Aus Anlass des Jahrestages der Stasibesetzung trägt Karl-Heinz Bomberg eine Auswahl seiner Lieder am authentischen Ort direkt im Eingangsbereich der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ vor. Corona-bedingt können seine Lieder am 4. Dezember 2020 ab 16.00 Uhr im Live-Stream auf dem youtube-Kanal der Gedenkstätte verfolgt werden unter https://www.youtube.com/channel/UCMiJAMnLVG_bg2I-gs5VNLg