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"Wendepunkt Leipzig. Herbst ´89 - Vom Aufbruch zum Alltag"
Kategorie: PressemitteilungVon: Bürgerkomitee
Beteiligung des Bürgerkomitees Leipzig e.V. an der EXPO2000
Besucherzahl im EXPO-Zeitraum verdoppelt
Doppelt so viele Menschen wie in den Vormonaten besuchten im EXPO-Zeitraum das Museum in der "Runden Ecke". Kamen bis Mai höchstens 3.000 Gäste pro Monat, waren es in der Folgezeit fast 7.000. In der ehemaligen Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Leipzig, die noch vor elf Jahren kein Außenstehender unaufgefordert betreten durfte, informierten sie sich über Strukturen, Arbeitsmethoden und Geschichte der Stasi sowie über den Verlauf der Friedlichen Revolution.
Vom Aufbruch zum Alltag
Das Bürgerkomitee Leipzig e.V., der Träger des Museums in der "Runden Ecke", beteiligte sich mit zusätzlichen Angeboten und einer Reihe von Veranstaltungen am dezentralen EXPO-Projekt der Stadt "Leipzig. Den Wandel zeigen". Es war Teil des Untervorhabens "Wendepunkt Leipzig. Herbst ´89 - Vom Aufbruch zum Alltag?". Der Verein wollte mit seinem Engagement erreichen, dass auch zehn Jahre nach dem Aufbruch zur Demokratie die Erinnerung an die Errungenschaften der Friedlichen Revolution im Alltag der Menschen präsent bleibt.
Das Bürgerkomitee nahm die EXPO-Beteiligung zum Anlass, die Öffnungszeiten von fünf Nachmittagen pro Woche auf sieben ganze Tage zu erweitern, täglich zwei öffentliche Führungen durch die Ausstellung "Stasi - Macht und Banalität" sowie den thematischen Stadtrundgang "Auf den Spuren der Friedlichen Revolution" anzubieten. Die Besucherzahlen zeigen, dass die größtenteils ehrenamtlichen Anstrengungen sich gelohnt haben: Zu den öffentlichen Führungen kamen bis Ende September fast 1.700 Interessierte, den Spuren der Friedlichen Revolution folgten etwa 170 Menschen.
Zehn Jahre Stasi-Museum am authentischen Ort
Am 31. August 2000 feierten mehr als 150 Gäste gemeinsam mit dem Bürgerkomitee den zehnten Geburtstag des Museums in der "Runden Ecke". Die besondere Bedeutung des Museums - darüber waren sich die Besucher einig - liegt in der Authentizität des historischen Ortes begündet. Dort, wo jahrzehntelang der Geheimdienst der SED Telefonate belauschte, Briefe öffnete und Geruchsproben potentieller Regimegegner sammelte, ist bis heute die Vergangenheit spürbar: Angesichts von Linoleumfußböden, gelbbraunen Tapeten und Scherengittern an den Fenstern fühlt sich mancher Besucher zurückversetzt in die Zeit vor 1989. Die "Runde Ecke", lange Zeit Symbol für die Durchdringung der Gesellschaft mit Misstrauen, psychischer und physischer Gewalt, ist zu einem Ort geworden, an dem Geschichte greifbar wird.
Blick über den Tellerrand
Vergangenheitsaufarbeitung ist eines der wichtigsten Anliegen des Bürgerkomitees im Bereich der politischen Bildung. Zur EXPO konnte es diesem Anliegen erstmals in einem großen internationalen Rahmen gerecht werden. Eine Veranstaltungsreihe und ein Demokratie-Kolloquium, beide unter dem Titel "Wieviel Wahrheit verträgt der Mensch?", machten den Blick über den deutschen Tellerrand möglich. Vom 8. bis zum 10. September kamen im Museum in der "Runden Ecke" Experten aus drei Kontinenten zusammen, um über Aktenumgang und Elitenwechsel in ihren Heimatländern zu debattieren, darunter ein Mitglied der südafrikanischen Wahrheitskommission, eine Beraterin des chilenischen Außenministeriums und der ehemalige Ministerpräsident Lettlands. "Für mich waren es eine interessante Erfahrung, eine nützliche Diskussion und ein spannender Austausch über Perspektiven unter internationalen Experten", schrieb letzterer nach der Rückkehr in seine Heimat.
Einig waren sich sowohl die Teilnehmer des Kolloquiums als auch der Veranstaltungsreihe (mit Referenten aus ehemaligen Ostblockstaaten), dass auf dem Weg zur gefestigten Demokratie noch viel Beharrlichkeit erforderlich sei. Ein Schritt auf diesem Weg könne die Arbeit eines internationalen Strafgerichtshofs sein, dessen Einsetzung die Teilnehmer des Kolloquiums in einer Resolution forderten.
Leipzig - Den Wandel zeigen
Die Entwicklungen in Deutschland waren für alle internationalen Gäste von besonderem Interesse. Denn die rigorose Offenlegung der Hinterlassenschaften des Geheimdienstes eines totalitären Staates sowie der herrschenden Partei ist einmalig auf der Welt. Insbesondere Leipzig hat durch seine hervorragende Rolle in der Geschichte der Friedlichen Revolution noch heute Vorbildcharakter für die Entwicklung in der Bundesrepublik und in anderen Staaten, in denen Menschen versuchen, die diktatorische Vergangenheit ihres Landes aufzuarbeiten. Das Bürgerkomitee wird auch nach dem Ende der EXPO einen Teil dazu beitragen, allen Bürgern die Bedeutung der Errungenschaften der Friedlichen Revolution bewusst zu machen und Ostalgie engegenzuwirken. Es beteiligt sich beispielsweise weiterhin an der städtischen Veranstaltungsreihe "Leipzig erinnert an den Herbst ´89", in deren Rahmen es in diesem Jahr seine dritte Publikation vorstellte.
Ehrenamtliches Engagement braucht staatliche Unterstützung
Nach wie vor leitet das Bürgerkomitee seine Arbeit weitestgehend ehrenamtlich. Das Engagement vieler Helfer hat die "Runde Ecke" zu einem wichtigen Bestandteil der Leipziger Museumslandschaft und das Bürgerkomitee zu einer festen Größe im Bereich politischer und kultureller Aktivitäten in der Stadt Leipzig gemacht. Um die Arbeit auf diesem hohen Niveau fortsetzen zu können, braucht der Verein die Unterstützung von Bund, Land und Stadt.
Auch nach dem zehnten Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung soll die Arbeit des Bürgerkomitees jeden Besucher dazu anregen, selbst die Grundlagen für eine demokratische Zukunft zu schaffen, und so das ursprüngliche Anliegen der Friedlichen Revolution zu erfüllen.