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Filme und Disskussion am 2. Oktober 2023, 19.00 Uhr in der "Runden Ecke" über die Mobilmachungsplanung der SED-Diktatur: "Honeckers unheim-licher Plan" und "Der Fall X. Wie die DDR Westberlin erobern wollte"
Kategorie: PressemitteilungAm 9. Oktober 1989 hätte ein perfides Planspiel der SED-Diktatur Wirklichkeit werden können: DDR-weit wären vermeintliche und wirkliche Gegner des SED-Staates schlagartig verhaftet und in Isolierungslager verschleppt worden, um einen Volksaufstand wie am 17. Juni 1953 im Keim zu ersticken. Der Film „Honeckers unheimlicher Plan – Wie die DDR ihre Bürger wegsperren wollte“ geht auch der entscheidenden Frage nach, warum der Plan in den heißen Tagen des Wendeherbstes 1989 nicht zur Anwendung kam.
Die Nationale Volksarmee der DDR plante seit Ende der 1960er Jahre den Überfall und die Einnahme Westberlins. Die Staatssicherheit hatte Liste von Westberlinern vorbereitet die in Lagern interniert werden sollten und die Struktur der Stasi in Westberlin stand ebenfalls bereits fest. „Der Fall X – Wie die DDR West-Berlin erobern wollte“ dokumentiert diese Angriffspläne des angeblichen Friedenstaates DDR.
Die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ lädt am Montag, den 2. Oktober 2023, um 19.00 Uhr zur Filmpräsentation und einem Gespräch mit der Regisseurin und einem Protagonisten ein. Eintritt frei.
Isolierungslager der Staatssicherheit für missliebige DDR-Bürger
Es ist ein unheimlicher Plan für den „Tag X“: Mit einem speziellen Codewort an alle 211 Stasi-Kreisdienststellen wird eine ungeheure Maschinerie in Gang gesetzt. DDR-weit werden in „x+24 Stunden“ über 2.900 Personen verhaftet und über 10.000 in vorbereitete Isolierungslager verschleppt. Weitere 72.000 Bürger werden verstärkt überwacht. So sieht es die streng geheime „Direktive 1/67“ von Erich Mielke, Minister für Staatssicherheit, vor. Der Plan soll im Falle militärischer Auseinandersetzungen, aber auch von inneren Krisen potenzielle Gegner der SED-Diktatur sofort durch Verhaftung und Isolierung ausschalten. Dafür erfasst die Staatssicherheit mehr als 86.000 DDR-Bürger im so genannten „Vorbeugekomplex“. Hier sammelt das MfS alle jene, die es als gefährlich betrachtet: Friedens- und Umweltaktivisten, Oppositionelle aus Kirchenkreisen, Künstler, Andersdenkende, Ausreiseantragsteller.
Dass diese Planspiele nicht nur in den Schubladen laden sondern auch zur Anwendung kamen, zeigt das polnische Beispiel. Nach dem die unabhängige Gewerkschaft „Solidarnocsz“in Polen zur ernsten Gefahr des kommunistischen Systems zu werden drohten, rief der „Militärrat der Nationalen Errettung“ (WRON) in der Nacht vom 12. zum 13. Dezember 1981 in Absprache mit der Sowjetunion den Kriegszustand aus. Daraufhin nahm die polnische Miliz und der Sicherheitsdienst in jenen Tagen etwa 6.500 Oppositionelle und Aktivisten der verbotenen Solidarnocsz-Gewerkschaft fest und verschleppte sie in kurzfristig errichtete Lager.
Auch auf dem Gebiet des heutigen Freistaates Sachsen waren Isolierungslager geplant. Sie sollten u.a. in der Augustusburg und in der bereits von den Nationalsozialisten als Konzentrationslager genutzten Burg Hohenstein in der Sächsischen Schweiz eingerichtet werden.
In der Nacht vom 8. auf den 9. Oktober 1989 aktualisierte die Leipziger Staatssicherheit hektisch die Listen der für die Isolierungslager vorgesehenen Leipzigerinnen und Leipziger. Nur den trotz der Gewaltandrohung der SED weit über 70.000friedlich auf dem Leipziger Ring Demonstrierenden ist es zu verdanken, dass die vorbereiteten Maßnahmen zur Niederschlagung der Proteste nicht zur Anwendung kamen.
Der angebliche Friedensstaat DDR plante die Eroberung Westberlins seit 1969
Doch auch gegen sogenannte „Klassenfeinde“ außerhalb der Landesgrenzen traf das DDR-Regime im Falle eines Krieges seine Vorbereitungen. Die alliierten Truppen in West-Berlin waren ein Reizthema für den Staat am westlichsten Rand des Warschauer Paktes. Seit 1969 gab es konkrete Planungen wir die eingemauerte Stadt Westberlin erobert werden sollte.
An 59 genau beschriebenen Stellen hätten NVA-Truppen am „Tag X“ die Mauer um West-Berlin durchbrechen und zunächst die alliierten Schutztruppen zerschlagen sollen. In einem zweiten Schritt wäre die West-Berliner Infrastruktur unter Kontrolle gebracht worden – dazu gehörte auch, alle potenziellen Organisatoren von Widerstand festzunehmen und einzusperren. Listen mit leitenden Polizeibeamten, Politikern, Spitzenbeamten, Geheimnisträgern und wichtigen Journalisten, die im Falle eines Falles zu inhaftieren waren, wurden bis zum Ende des SED-Regimes mehrfach aktualisiert.
604 hauptamtliche Stasileute sollten umgehen einen Repressionsapparat in West-Berlin aufbauen. Die Dienstgebäude für die Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin 2 einschließlich entsprechender Kreisdienststelle bspw. in Wilmersdorf oder Zehlendorf waren bereits vorbereitet. Noch 1985 arbeitete die Stasi einen exakten Plan aus, wie die Lage im dann eroberten, Westteil Berlins zu „stabilisieren“ wäre. Die Mauer sollte zunächst stehen bleiben, eine „Kriegswährung“ wäre umgehend an die Stelle der DM getreten.
Das letzte konkrete Manöver der Nationalen Volksarmee (NVA) mit Bezug auf West-Berlin lässt sich im Jahr 1988 nachweisen. Damals sollte Magdeburg erobert werden, wobei auffällig ist, dass die Elbestadt, so die Vorgaben dieses Kriegsspiels, von einer amerikanischen, einer britischen und einer französischen Brigade besetzt sein sollte und sogar über einen „Regierenden Bürgermeister“ verfügte. Bei so viel „Tarnung“ des wahren Ziels des Manövers hätte man sich den Umweg über Magdeburg ebenso gut sparen können.
Die rbb-Dokumentation von Winfried Heinemann und Burmeister aus dem Jahr 2010 dokumentiert all diese Planungen sehr eindrücklich und präsentiert eine Vielzahl von erhaltenen Unterlagen der NVA, des Warschauer Paktes und der Stasi zu diesem eigentlich unvorstellbaren Szenario.
Gespräch mit Regisseurin und Protagonisten am Montag in Leipzig
Die beiden Filme rekonstruieren anhand von neu aufgefundenen Stasi-Dokumenten sowie von Zeitzeugenberichten diese gewaltigen Planspiele von unfassbarem Ausmaß und erschreckender Präzision. Zwischen der Präsentation der beiden Filme am Montag, den 2. Oktober 2021, um 19.00 Uhr im ehemaligen Stasi-Kinosaal der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ sind die Regisseurin Katharina Herrmann sowie der Protagonist und Gedenkstättenleiter Tobias Hollitzer zum Gespräch anwesend.
Sie gehen der entscheidenden Frage nach, warum die Pläne der Direktive 1/67 in den heißen Tagen des Wendeherbstes 1989 nicht zur Anwendung.
Der Eintritt ist frei.
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