NEWSLETTER JANUAR 2005
Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,
Nach zwei Jubiläumsjahren – 2003 mit dem 50. Jahrestag des Volksaufstands vom 17. Juni und 2004 mit dem 15. Jahrestag der Friedlichen Revolution – steht in unserer Veranstaltungsplanung für 2005 bereits wieder ein Jubiläum im Mittelpunkt. Am 31. August wird die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker 15 Jahre alt. Aus diesem Anlass rufen wir einen Schülerwettbewerb ins Leben, über den wir Sie im nächsten Rundbrief noch ausführlich informieren.
Bereits ab 20. Januar laden wir Sie in die Sonderausstellung „Ein offenes Geheimnis – Post- und Telefonkontrolle in der DDR“ ein. Sie wird bis zum 30. Juni 2005 täglich in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“, im ehemaligen Stasi-Kinosaal, zu sehen sein. Eröffnet wird die Exposition am 19.01.2005, 18.00 Uhr. Auch zur Vernissage sind Sie herzlich eingeladen.
Wir hoffen, dass Sie unsere Arbeit auch 2005 mit Interesse begleiten und wünschen Ihnen und Ihrer Familie ein gesundes, zufriedenes und erfolgreiches neues Jahr.
Ihr Bürgerkomitee Leipzig
P.S.: Im Monat Dezember haben Sie keinen Newsletter von uns erhalten, da die Vorbereitungen auf die Tagung „Auflösung der DDR-Staatssicherheit 1989/90“ vom 03. – 05.12.2004 unsere gesamte Aufmerksamkeit forderten. Wir bitten dafür um Verständnis.
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INHALT
Wir laden ein
Jahresprogramm 2005
Rückblick
Neues auf dem Gebiet der Aufarbeitung
Aus dem Gästebuch
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WIR LADEN EIN
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19. JANUAR 2005, 18.00 UHR
ERÖFFNUNG DER SONDERAUSSTELLUNG
„EIN OFFENES GEHEIMNIS – POST- UND TELEFONKONTROLLE IN DER DDR“
Die Tätigkeit der Staatssicherheit im Bereich der Post- und Telefonkontrolle war für viele Bürger der DDR und auch der Bundesrepublik ein „offenes Geheimnis“. Viele ahnten oder hatten selbst schon erfahren müssen, dass das MfS Briefe und Pakete öffnete, Telefongespräche abhörte und aufzeichnete. Das tatsächliche Ausmaß der Überwachungs-maßnahmen verdeutlichen aber erst die heutigen Forschungsergebnisse.
Die Gemeinschaftsausstellung „Ein offenes Geheimnis“ des Museums für Kommunikation Berlin und der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) in Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ dokumentiert auf der Grundlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Post- und Telefonkontrolle der Staatssicherheit, die in Zusammenarbeit mit der Deutschen Post der DDR durchgeführt wurde. Fotos, Dokumente, Originalgeräte und Modelle führen Struktur, Methoden und Ausmaß der Überwachung vor Augen. Die Auswirkungen der Kontrolle auf das Kommunikationsverhalten der Menschen in Ost und West spiegelt sich in zahlreichen Briefen, Telegrammen und Karten sowie in den dokumentierten Einzelschicksalen wider. Die Ausstellung verdeutlicht plastisch, wie wertvoll die demokratischen Grundrechte sind, die heute im täglichen Leben – vor allem von denen, die den DDR-Alltag selbst nicht mehr bewusst miterlebt haben - oft als selbstverständlich hingenommen werden.
Das Bürgerkomitee Leipzig e.V., das als Hauptleihgeber für die Ausstellung auftrat, wird diese im ersten Halbjahr 2005 in Leipzig zeigen. Die Stadt der Friedlichen Revolution, von der 1989 entscheidende Impulse für den demokratischen Aufbruch in der gesamten DDR ausgingen, bietet einen geradezu idealen Rahmen für die Exposition. Präsentationsort wird der authentisch erhaltene ehemalige Stasi-Kinosaal in der „Runden Ecke“ sein. Die Ausstellung wird somit in einem Gebäude gezeigt, von dem aus Telefon- und Postkontrolle fast 40 Jahre lang organisiert wurde. An ihren vier bisherigen Standorten – Berlin, Hamburg, Frankfurt/Main und Nürnberg – fand die Exposition bereits 200.000 Besucher.
Die Ausstellung wird am 19.01.2004 in Anwesenheit des Direktors des Museums für Kommunikation, Prof. Dr. Joachim Kallinich, sowie des Geschäftsführers der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Dr. Norbert Haase, eröffnet. Anschließend laden wir Sie zu einer Führung durch die Exposition ein.
DAUER DER AUSSTELLUNG
20. JANUAR – 30. JUNI 2005
ÖFFNUNGSZEITEN
Täglich, 10.00 – 18.00 UHR
FÜHRUNGEN
Öffentliche Führungen jeweils sonnabends 16.30 Uhr und sonntags 11.00 Uhr
Führungen für Gruppen auf Anfrage
UNTERRICHTSMATERIAL
Für die Arbeit mit Schülergruppen stellen wir Lehrern gern Material zur Verfügung. Dieses können Sie im Vorfeld Ihres Besuches bei uns abfordern.
BEGLEITPROGRAMM
Über themenbezogene Veranstaltungen informieren wir Sie rechtzeitig auf unserer Homepage
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JAHRESPROGRAMM 2005
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Im neuen Jahr laden wir Sie wieder ein, im Rahmen von Diskussionen, Vorträgen, Lesungen, Filmvorführungen und vielen anderen Veranstaltungen mit uns über die jüngere deutsche Geschichte zu debattieren. Im Folgenden geben wir Ihnen einen Überblick über die Planungen für 2005. Zusätzliche Termine sowie ausführliche Programminformationen finden Sie rechtzeitig auf unserer Homepage.
FEBRUAR BIS JUNI 2005
BEGLEITPROGRAMM ZUR SONDERAUSSTELLUNG „EIN OFFENES GEHEIMNIS“
Einmal im Monat laden wir Sie zu einer Veranstaltung in die Ausstellung „Ein offenes Geheimnis“ ein. Geplant sind Filme, Lesungen, Vorträge und Diskussionen. Sie werden sich dem Thema auch mit Blick auf aktuelle Entwicklungen – etwa das „Kohl-Urteil“ (Verwendung von abgehörten Telefonaten in den MfS-Akten), neue Maßnahmen zur inneren Sicherheit, Lauschangriff etc. – nähern.
17. – 20. MÄRZ 2005
VERANSTALTUNGEN IM RAHMEN VON „LEIPZIG LIEST“
Wie in den vergangenen Jahren beteiligt sich das Bürgerkomitee wieder an der Reihe „Leipzig liest“ anlässlich der Frühjahrsbuchmesse. Das mehrtägige Lesefest wird alljährlich von mehr als 100 Vereinen, Initiativen, Museen, Lokalen und dem Kulturamt der Stadt initiiert. Veranstaltungsort ist dabei immer auch die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“. 2005 werden die Buchvorstellungen, Lesungen, Vorträge und Diskussionen in der Gedenkstätte das Thema Post- und Telefonkontrolle in der DDR zum Inhalt haben. Sie ordnen sich damit in das Begleitprogramm zur Sonderausstellung „Ein offenes Geheimnis“ ein.
16. APRIL 2005
FÜNFTE LEIPZIGER MUSEUMSNACHT
Zum fünften Mal findet im April die Leipziger Museumsnacht statt, in deren Rahmen die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ wieder bis spät nachts ihre Türen öffnen wird. Das Motto der „Nachtschicht2005“ lautet „Licht“. Diesen Titel aufgreifend wird das Bürgerkomitee in seiner Gedenkstätte wieder ausgewählte Objekte, unter anderem aus dem Bereich der konspirativen Fototechnik, in den Mittelpunkt der Präsentation stellen. Viele davon lagern normalerweise im Magazin und sind nur während der Museumsnacht zu sehen. Zusätzlich wird auch die ehemalige Hinrichtungsstätte in der Alfred-Kästner-Straße wieder geöffnet sein.
JUNI 2005
FINISSAGE DER SONDERAUSTELLUNG „EIN OFFENES GEHEIMNIS“
Im Juni geht die Sonderausstellung „Ein offenes Geheimnis“ mit einer Finissage zu Ende. Bevor die Ausstellung anschließend aufgelöst wird, soll noch einmal Bilanz darüber gezogen werden, wie aktuell das Thema Post- und Telefonkontrolle nach wie vor ist.
31. AUGUST 2005
15 JAHRE GEDENKSTÄTTE MUSEUM IN DER „RUNDEN ECKE“
Am Vormittag des 31.08. präsentieren die Teilnehmer eines Schülerwettbewerbs zum Thema Staatssicherheit ihre Ergebnisse im ehemaligen Stasi-Kinosaal. In diesem Rahmen werden auch die besten, von einer Jury ausgewählten Arbeiten prämiert.
Am Abend lädt das Bürgerkomitee zu einer Diskussion über die Zukunft der bundesdeutschen Gedenkstättenpolitik und Erinnerungskultur ein. Dabei soll die aktuelle öffentliche Debatte um die Legitimation von Gedenkstätten zur Erinnerung an die kommunistische Diktatur in SED und SBZ im Vergleich zu NS-Gedenkstätten aufgegriffen werden. Anliegen der Veranstaltung wird es auch sein, einen Blick auf den Umgang unserer osteuropäischen Nachbarn mit dem totalitären Erbe des 20. Jahrhunderts zu werfen.
11. SEPTEMBER 2005
TAG DES OFFENEN DENKMALS
Wie in den vergangenen Jahren beteiligt sich die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke” mit dem Museum im Stasi-Bunker wieder mit Sonderöffnungszeiten und umfangreichen Zusatzangeboten wie Führungen, Sonderausstellungen und ähnlichem am Tag des offenen Denkmals.
07. – 09. OKTOBER 2005
„HERBST ´89 – AUFBRUCH ZUR DEMOKRATIE“
Es ist Tradition geworden, dass Leipzig für das Gedenken an die Friedliche Revolution den 9. Oktober, der 1989 für die Stadt und die gesamte DDR zum „Tag der Entscheidung” wurde, wählt. Organisator der Reihe ist eine Initiativgruppe aus Leipziger Vereinen, Museen und der Stadt, deren Ziel es ist, die Erinnerung an den friedlichen Umbruch wach zu halten und Impulse für den Demokratisierungsprozess zu geben. Das Bürgerkomitee beteiligt sich stets mit eigenen Veranstaltungen wie Buchpremieren, Filmnächten oder Podiumsdiskussionen an der Reihe. Der konkrete Beitrag für 2005 wird noch konzipiert.
04. DEZEMBER 2005
16. JAHRESTAG DER BESETZUNG DER BEZIRKSVERWALTUNG FÜR STAATSSICHERHEIT
Jährlich zum 4. Dezember erinnert das Bürgerkomitee mit einer Veranstaltung an die Besetzung der Leipziger Bezirksverwaltung für Staatssicherheit und seine Gründung. Der inhaltliche Schwerpunkt für 2005 wird im Laufe des Jahres gesetzt, sodass aktuelle Entwicklungen und Diskussionen aufgegriffen werden können.
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RÜCKBLICK
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3. – 5. DEZEMBER 2004
FACHTAGUNG „AUFLÖSUNG DER DDR-STAATSSICHERHEIT 1989/90“
War die Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit in der DDR in Wahrheit eine Beschäftigungstherapie für Oppositionelle und Bürgerrechtler? Opferte die Staatspartei SED eine ihrer wichtigsten Machtstützen, um selbst unbehelligt zu bleiben? Provokante Fragen wurden vom 03. – 05.12.2004 in Leipzig in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ aufgeworfen. 200 Akteure der Jahre 1989/90 sowie Historiker und Journalisten aus der gesamten Bundesrepublik waren hier zu der Tagung „Auflösung der DDR-Staatssicherheit 1989/90 – Ein zentrales Ereignis der Friedlichen Revolution“ zusammengetroffen. Eingeladen hatten die Konferenz der Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und das Bürgerkomitee Leipzig e.V.
Vor 15 Jahren hatten engagierte Bürger überall in der DDR die Dienststellen des Ministeriums für Staatssicherheit besetzt. Sie schlossen sich zu Bürgerkomitees zusammen, die innerhalb weniger Tage die Arbeit des scheinbar allmächtigen Apparates lahmlegten und begannen, ihn aufzulösen. Dieser Akt, so waren sich die Teilnehmer der Tagung einig, zählt zu den zentralen Ereignissen der Friedlichen Revolution und war eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Beseitigung der kommunistischen Diktatur in der DDR. Doch wie selbstbestimmt konnten die Bürgerkomitees arbeiten, welche Ziele verfolgten sie und wie einig waren sie sich in zentralen Fragen, wie etwa der nach der Aktenvernichtung?
Um diese Fragen zu beantworten, rückten zunächst die Ereignisse auf regionaler Ebene in den Mittelpunkt der Tagung. 15 Referenten hatten im Vorfeld ausführlich geforscht, um die Besetzung und Auflösung in den einzelnen Bezirken der DDR zu rekonstruieren. Am Sonnabend stellten sie ihre Ergebnisse den Tagungsteilnehmern vor. Wie dabei deutlich wurde, sind die lokalen Geschehnisse bisher weit weniger gut dokumentiert, als angenommen. Die Vorträge waren somit auch Anstoß, künftig weiter zum Thema zu recherchieren und Forschungslücken zu schließen.
In vier Arbeitsgruppen debattierten die Teilnehmer am Abschlusstag über spezielle Aspekte des Auflösungsprozesses. Dabei stießen sie auf augenfällige Parallelen zwischen den einzelnen Bezirken, wie etwa der, dass die Mitglieder der Bürgerkomitees häufig im Vorfeld bereits oppositionellen Gruppen angehört hatten bzw. aus dem kirchlichen und universitären Raum kamen. Wichtig für die dauerhafte Legitimation und die Akzeptanz der Komitees in der Bevölkerung war dann in erster Linie die Frage, wie diese sich an die ständig veränderte politische Situation anpassen konnten.
Obwohl die Bürgerkomitees rasch versuchten, sich auf ein gemeinsames Arbeitsprogramm zu einigen, vertraten sie doch in zentralen Fragen auch gegensätzliche Meinungen. Wichtigster Streitpunkt dürfte der Umgang mit den Stasi-Akten gewesen sein. Während etwa in Berlin und Leipzig für den vollständigen Erhalt und vor allem die Offenlegung der Dokumente gestritten wurde, entwickelten die Schweriner Akteure sogar ein Konzept für die Aktenvernichtung. Grund für diese regionalen Unterschiede, so stellten die Tagungsteilnehmer fest, waren nicht zuletzt die – teilweise erfolgreichen – Versuche von Staatsanwälten, Regierungsbeauftragten und MfS-Offizieren, den Auflösungsprozess in ihrem Sinn zu steuern.
Viele Fragen konnten während der Tagung nur angerissen und nicht abschließend beantwortet werden. Gerade diese eignen sich jedoch als Ausgangspunkt für anknüpfende Forschungen zu den vielschichtigen Hintergründen des Auflösungsprozesses, die wir bisher offenbar nur teilweise kennen.
Die gerade bekannt gewordene Verlegung der BStU in die Zuständigkeit der Beauftragten des Bundes für Kultur und Neue Medien, Christina Weiß, war ein der zentralen Streitfragen der Abschlussdiskussion „‚Freiheit für meine Akte!’ Das schwierige Erbe der Staatssicherheit“. Der Publizist Konrad Weiß, der Historiker und BStU-Mitarbeiter Dr. Ehrhard Neubert, der Politikwissenschaftler Prof. Uwe Thaysen und der Bürgerrechtler Matthias Büchner schätzten diese überraschende Entscheidung des Bundesinnenministers übereinstimmend als fragwürdig ein. Besonders monierten sie, dass der Bundestag nicht eingezogen worden war, obwohl dieser zuständig gewesen wäre. Die Debatte moderierte Stefan Detjen, Redakteur des Deutschlandfunks. Der Sender überträgt Auszüge aus der Diskussion am Mittwoch, dem 29.12.2004, 19.15 Uhr.
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NEUES AUF DEM GEBIET DER AUFARBEITUNG
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Am 03.12.2004 informierte die Bundesregierung darüber, dass die Zuständigkeit für die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen (BStU) überraschend vom Innenministerium zur Kulturstaatsministerin verlagert worden sei. Wenig später wurde ein internes Konzept bekannt, demnach die BStU bis zum Jahr 2010 aufgelöst werden sollte. Gegen diese überraschende Geheimentscheidung gab es zahlreiche Proteste. Auch das Bürgerkomitee Leipzig e.V. und der Verein ASTAK in Berlin äußerten sich in einer gemeinsamen Presseerklärung.
Die beiden Vereine, die jeweils Träger einer Gedenkstätte sind, kritisierten nachdrücklich das Verfahren, in dem hinter verschlossenen Türen und praktisch über Nacht die Abwicklung der Stasi-Unterlagenbehörde forciert wurde. Sie forderten vor allem den Deutschen Bundestag auf, sich einzuschalten und seine gesetzgeberische Hoheit wahrzunehmen. Um die Aufarbeitung der SED-Diktatur in sinnvollen Strukturen fortzusetzen, ist nach Ansicht des Bürgerkomitees und der ASTAK eine öffentliche und transparente Fachdebatte nötig.
Im Dezember 1989 und im Januar 1990 besetzten Bürger der DDR die Dienstgebäude des Ministeriums für Staatssicherheit. Sie einte der Wille, die Tätigkeit dieser Institution ein für alle mal zu beenden und das dort gesammelte Herrschaftswissen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Bis heute gehört dieses Ziel zu den wichtigsten Anliegen der zahlreichen in der Bundesrepublik tätigen Aufarbeitungsinitiativen. Auch das Bürgerkomitee Leipzig und die ASTAK setzen sich ausdrücklich für die offenen Akten, ein wertvolles und unveräußerliches Erbe der Friedlichen Revolution, ein.
Die beiden Vereine unterstützen grundsätzlich, dass über eine Weiterentwicklung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (StUG) in Richtung des deutschen Archivrechts debattiert wird. Absolute Priorität hat aber auch weiterhin, dass die Akten offen bleiben: Die Zugangsrechte für Betroffene müssen bestehen bleiben, die Recherchemöglichkeiten für Wissenschaftler und Journalisten sogar noch verbessert werden. Unter diesen Bedingungen spricht nichts dagegen, das StUG schrittweise an geltendes Bundes- und Landesarchivrecht anzupassen, wenngleich 2010 als Zeitpunkt für die Auflösung der Behörde sicher verfrüht wäre. Geprüft werden muss, wie bewährte Regelungen aus dem StUG Eingang in die allgemeine Archivgesetzgebung finden. Dies betrifft vor allem die Sonderregelungen für den Umgang mit Akten von MfS-Mitarbeitern.
Die Umsetzung des Regionalkonzeptes der BStU, das bereits vom Innenausschuss des Deutschen Bundestags diskutiert wurde, muss aus Sicht des Bürgerkomitees und der ASTAK umgehend gestoppt werden. Denn wenn ohnehin über eine Verteilung der Aufgaben der Stasi-Unterlagenbehörde an andere Träger nachgedacht wird, wäre die Zusammenführung von Aktenbeständen in einer zentralen Außenstelle pro Bundesland ein vollkommen unnötiger Aufwand. Sollten die MfS-Dokumente künftig an bestehende Archive übergehen, müssten sie erneut umgelagert werden. Die Archivgesetzgebung in Sachsen sieht beispielsweise vor, dass regionales Schriftgut vor Ort in den jeweiligen Staatsarchiven aufbewahrt wird, also in Chemnitz, Dresden und Leipzig.
Die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen hat in den vergangenen Jahren Diskussionen über eine Aufgabenteilung mit Partnern im Bereich der Aufarbeitung weitgehend verweigert. Stattdessen versuchte sie, sich als zentrale Instanz der politischen Bildung zu profilieren. Dabei hat sie ihr Kerngeschäft, die Verwahrung, Verwaltung und Erschließung der Akten, vernachlässigt. Die Erschließung des Archivbestandes trat zugunsten neuer Aufgabenbereiche in der politischen Bildung zurück. Die Zugangsbestimmungen bei Forschungs- und Medienanträgen und die Herausgabevorschriften für Akten wurden immer restriktiver.
Bürgerkomitee Leipzig und ASTAK unterstützen nachdrücklich die Bemühungen von Kulturstaatsministerin Christina Weiß um einen „Geschichtsverbund zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“. Der richtige Weg dazu wäre die Verteilung vorhandener Ressourcen auf die bereits bestehenden Träger, die zum Teil seit 15 Jahren effektiv und erfolgreich arbeiten. In diesem Zusammenhang ist auch die BStU aufgefordert, umgehend zu einem kooperativen Stil im Umgang mit den besagten Initiativen und Einrichtungen zu finden. Mit Nachdruck lehnen die beiden Vereine eine „Geschichtsaufarbeitung aus einem Guß“ ab, wie sie die Kulturstaatsministerin in der heutigen Presse ankündigte. Ein solches „Aufarbeitungskombinat“ ist mit Sicherheit die schlechteste Voraussetzung für eine freie und ehrliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Deshalb sieht auch die Gedenkstättenkonzeption des Bundes, an der sich die Staatsministerin laut eigener Aussage orientieren will, als zentrales Prinzip die Heterogenität der Aufarbeitungslandschaft vor: „Die Bundesregierung […] wird die Heterogenität der Trägerschaften von Gedenkstätten achten und unterstützen. Damit trägt sie dazu bei, den dezentralen und pluralen Charakter der Gedenkstättenlandschaft zu festigen, der sich durch ein Neben- und Miteinander von ehrenamtlicher und professioneller Arbeit, lokaler, regionaler und überregionaler Verantwortungsübernahme sowie individuellem und kollektivem Engagement auszeichnet.“
Als freie Träger zweier renommierter Gedenkstätten gehen das Bürgerkomitee und die ASTAK davon aus, dass bei der geplanten Verteilung von Aufgaben und Ressourcen diejenigen Einrichtungen größte Berücksichtigung finden, die bereits seit Jahren kompetent im Bereich der Aufarbeitung und politischen Bildung tätig sind. Dies bedeutet konkret: Die Forschungs- und Gedenkstätte Normannenstraße verbleibt in Trägerschaft der ASTAK und wird von dieser weiterentwickelt. Die Ressourcen zur Aufarbeitung der MfS-Tätigkeit in Leipzig werden im zuständigen Fachmuseum, in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ gebündelt.
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AUS DEM GÄSTEBUCH
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Mehrere tausend Menschen besuchen monatlich die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker. Manche leben in Leipzig und kommen – häufig mit Gästen – immer wieder in die Ausstellung. Andere kommen von weit her zu Besuch in die Stadt und wollen hier sehen, wo und wie vormals das berüchtigte Ministerium für Staatssicherheit arbeitete.
Viele unserer Besucher hinterlassen eine Notiz im Gästebuch und schreiben hier ihre Eindrücke nieder, die sie in der Gedenkstätte gesammelt haben. Unter dieser Rubrik wollen wir monatlich einige dieser Einträge an Sie weitergeben.
„Als Schweizer sind wir beeindruckt, dass Sie jetzt schon und gleich nach der Wende mit der Aufarbeitung Ihrer jüngsten Geschichte begannen – wir brauchten 50 Jahre, um unser Verhalten während des 2. Weltkrieges zu thematisieren.“
Eintrag vom 01.11.2004 von Besuchern aus der Schweiz
„Leider erinnern mich die schrecklichen Methoden gegen die eigenen Mitbürger bereits an Dinge, die auch unsere so genannte Demokratie bald einführen möchte; Stichwort: Fingerabdruck im Ausweis.“
Eintrag vom 20.11.2004
„Erschütternd, dass es sie gab; befreiend, dass diese Zeiten vorbei sind!“
Eintrag vom 05.12.2004
„Für uns als westdeutsche Besucher ist der Besuch hier ein Muß! Wir sind erschüttert und auch beschämt, was hier mit vorgeschobenen Begründungen der Bevölkerung angetan wurde. Freiheit ist ein Gut, welches nicht hoch genug eingeordnet werden kann! Dies gilt es stets zu bewahren und auch zu würdigen.“
Eintrag vom 13.12.2004