Newsletter September 2006
Newsletter September 2006
Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,
in wenigen Tagen jährt sich zum zehnten Mal der Jahrestag der Gründung des Museums im Stasi-Bunker. Bereits Anfang 1990 entdeckt, ist der historische Ort seit dem Tag des offenen Denkmals 1996 regelmäßig für Besucher geöffnet. Mehr als 70.000 Interessenten haben dieses Angebot bereits wahrgenommen. Anlässlich des Jubiläums laden wir am 9. und 10. September zu einem Festwochenende ein, an dem wir gleichzeitig den Tag des offenen Denkmals begehen. Das vollständige Programm und ausführliche Informationen finden Sie im ersten Kapitel des Newsletters.
Am 23. September wird außerdem die Aktion „Stolpersteine“ fortgesetzt. Nach dem Auftakt des Projekts im April lässt der Künstler Gunter Demnig nun weitere Steine zur Erinnerung an Leipziger Bürger, die unter dem NS-Regime ihr Leben lassen müssen, in die Gehwege vor deren früheren Häusern ein. Über diese Veranstaltung informieren wir Sie im Punkt „Neues auf dem Gebiet der Aufarbeitung“.
Wir freuen uns auf Ihren Besuch und wünschen Ihnen zunächst eine interessante Lektüre.
Ihr Bürgerkomitee Leipzig
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INHALT
Wir laden ein
Neues auf dem Gebiet der Aufarbeitung
Aus der Arbeit der Gedenkstätte
Aus dem Gästebuch
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WIR LADEN EIN
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9. /10. SEPTEMBER 2006
FESTWOCHENENDE: 10 JAHRE MUSEUM IM STASI-BUNKER UND TAG DES OFFENEN DENKMALS
Am Ortsrand von Machern, versteckt zwischen den Lübschützer Teichen und einer Waldgartensiedlung, hatte der Leiter der Leipziger Bezirksverwaltung für Staatssicherheit seine Ausweichführungsstelle (AfüSt). Im Ernstfall - etwa während eines Krieges - hätte er die „Runde Ecke“ in Leipzig verlassen und zusammen mit seinem Operativstab sowie technischem Personal (insgesamt etwa 100 Personen) in Machern Quartier bezogen.
Auf 5,2 Hektar Fläche stand hier alles zur Verfügung, was im so genannten Spannungs- und Mobilmachungsfall nötig gewesen wäre, um die geheimpolizeiliche Arbeit nahtlos fortzusetzen: Ein ABC-sicherer Bunker mit Verbindung nach Berlin, Chiffriertechnik, und komplettem Versorgungssystem. Eine abgesetzte Sendestelle, um zu verhindern, dass die AfüSt bei Funkverkehr angepeilt werden konnte. Oberirdische Gebäude und Anlagen, darunter eine Tischlerei, Garagen, eine Hundelaufanlage und Bungalows, die zur Tarnung des Geländes als Feriendomizil dienten.
Zwischen 1969 und 1972 gebaut, hat die Ausweichführungsstelle nie einen Ernstfall erlebt. Im Dezember 1989, unmittelbar nach dem Ende des SED-Regimes in der DDR, wurde sie vom Pfarrer der Gemeinde Machern entdeckt. Bald darauf nahm sich das Bürgerkomitee Leipzig des Geländes an, erwirkte den Denkmalstatus für die gesamte Anlage und konnte schließlich das Gelände vom damaligen Kreis Wurzen pachten.
Seit dem Tag des offenen Denkmals im September 1996 steht die frühere Ausweichführungsstelle Besuchern einmal im Monat offen. Sie erfahren, wie die Versorgungssysteme funktionierten, wie DDR-weit Nachrichtenkontakte zustande gekommen wären und welche Überlebensstrategien sich die Staatssicherheit für einen Atomschlag entwickelt hatte. Eine Ausstellung gibt Einblick in die Mobilmachungsplanung im Bezirk Leipzig und die Einbindung der Ausweichführungsstelle in die Vorbereitungen auf den „Tag X“. Sie dokumentiert die spezielle Aufgabe des MfS im Ernstfall - bis hin zur geplanten Einrichtung von Isolierungslagern für Oppositionelle.
Der Beginn dieser regelmäßigen Besucherzeiten jährt sich 2006 zum zehnten Mal. Aus diesem Anlass lädt das Bürgerkomitee zu einem Festwochenende ein, an dem gleichzeitig der Jahrestag und der Tag des offenen Denkmals gefeiert wird. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
Programm
SONNABEND, 09.09.2006
13.00 - 18.00 Uhr
KOSTENLOSE FÜHRUNGEN durch das Museum im Stasi-Bunker, QUIZ mit Preisverlosung, FILM
14.00 Uhr
Eröffnung der SONDERAUSSTELLUNG „ALLES IM GRIFF“ mit Grußworten von
DR. GERHARD GEY, Landrat des Muldentalkreises (angefragt)
MANFRED SCHÖN, Sekretär des Kulturraums Leipziger Raum
FRANK LANGE, Bürgermeister der Gemeinde Machern
Im Anschluss an die Grußworte laden wir Sie ein, mit uns auf den Jahrestag des Museums im Stasi-Bunker anzustoßen. Danach haben Sie die Möglichkeit, sich einer ersten Führung durch die Sonderausstellung anzuschließen. Es begleitet Sie DR. MARTIN BÖTTGER, Leiter der BStU- Außenstelle Chemnitz.
ZUR AUSSTELLUNG: Auch in Ausnahmesituationen wollte die Staatssicherheit alles im Griff haben. Für den so genannten Spannungs- und Mobilmachungsfall erließ Erich Mielke, der Minister für Staatssicherheit, 1967 die Direktive 1/67. Sie enthielt neben Anweisungen zum Bau von Ausweichführungsstellen auch Pläne zur Festnahme, Isolierung und Überwachung Andersdenkender. Die Sonderausstellung zeigt die Ausmaße dieser Ernstfallplanung am Beispiel des Bezirks Karl-Marx-Stadt (Chemnitz). Hier lebte ein Drittel der DDR-weit 85.000 Personen, deren Daten im so genannten „Vorbeugekomplex“ erfasst waren, weil sie von der vorgegebenen Linie der Staats- und Parteiführung abwichen und als potentielles Sicherheitsrisiko galten.
Die Ausstellung ist bis zum 26.11.2006 im Museum im Stasi-Bunker zu sehen.
17.00 Uhr
AUSLOSUNG der Quiz-Gewinner
19.30 Uhr
LITERATUR AM LAGERFEUER
Lyrik und Prosa mit jungen Leipziger Autoren – Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Literaturagentur ClaraPark
Es lesen:
LEONIE BONGARTZ ist Absolventin des Deutschen Literaturinstituts Leipzig und arbeitet zurzeit an dem Drehbuch für einen Kinofilm und an einem Fernsehfilm für den Westdeutschen Rundfunk Köln; geboren 1981 in Köln; Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien; Mitarbeit an den Kurzfilmen „Das tägliche Verschwinden“ (2004) und „Schwarze Maria“ (2005)
ULRIKE ALMUT SANDIG studiert am Deutschen Literaturinstitut Leipzig; geboren 1979; zunächst Studium der Religionswissenschaft und Indologie; Veröffentlichungen in Anthologien und Literaturzeitschriften; Bühnenprogramm; Projekt „augenpost“ - Gedichtplakate in Leipzig und anderen Städten; Lyrikpreis Meran 2006; Gedichtband „Zunder“ (2005)
CARL-CHRISTIAN ELZE ist Student am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und Redakteur der Leipziger Literaturzeitschrift „plumbum“; geboren 1974; Studium der Biologie und Germanistik; Arbeit in verschiedenen Zoologischen Gärten; Debütpreis Lyrik im Poetenladen 2005; 1. Preis beim Irseer Pegasus 2006; Gedichtband „stadt/land/stopp“ (2006)
OLAF SCHMIDT ist Literaturredakteur des Leipziger Stadtmagazins „Kreuzer“ und freier Autor; geboren 1971; Studium der Neueren deutschen Literaturwissenschaft, Allgemeinen Rhetorik und Vergleichenden Religionswissenschaft in Tübingen; Promotion am Leipziger Institut für Germanistik über E.T.A. Hoffmann; Roman „Friesenblut“ (2006)
CLAUDIUS NIESSEN (Moderation) studiert am Deutschen Literaturinstitut Leipzig, ist Geschäftsführer der Freien Akademie der Künste zu Leipzig und Inhaber der Agentur ClaraPark; geboren 1980 in Aachen; seit der Schulzeit journalistisch und literarisch tätig; Herausgeber der Anthologie „Tippgemeinschaft“; mehrere Lehraufträge für Literarisches Schreiben; Kunstbuch „Vinta“ (2005)
Für das leibliche Wohl sorgt während des gesamten Tages die Gastronomie des Lokals „Lübschützer Teiche“.
BUS NACH MACHERN
Wenn Sie von Leipzig aus zur Jubiläumsfeier kommen, bieten wir Ihnen am 9. September zweimal einen Busshuttle nach Machern an. Start ist jeweils an der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“, Rückfahrt ab Museum im Stasi-Bunker Machern. Karten für 10 Euro / ermäßigt 5 Euro erhalten Sie am Büchertisch der Gedenkstätte. Sie können auch unter 0341/9612443 oder über mail@runde-ecke-leipzig.de reservieren.
Shuttle am Nachmittag: Start in Leipzig 13.00 Uhr, Rückfahrt ab Machern gg. 17.30 Uhr
Shuttle am Abend: Start in Leipzig 18.30 Uhr, Rückfahrt ab Machern gg. 21.30 Uhr.
SONNTAG, 10.09.2006
GEDENKSTÄTTE MUSEUM IN DER „RUNDEN ECKE“:
Dittrichring 24, 04109 Leipzig >> geöffnet 10.00 – 18.00 Uhr
15.00 Uhr: Öffentliche Führung durch die Dauerausstellung „Stasi – Macht und Banalität“ ( 3 Euro / ermäßigt 2 Euro)
11.00 – 16.00 Uhr: jeweils zur halben und vollen Stunde: Sonderführungen unter dem Motto: „Stasi intern. Rundgang durch die ehemalige Zentrale des MfS“ - Vom Keller zum Boden und anderen Orten des (un)heimlichen Gebäudekomplexes (2 Euro)
MUSEUM IM STASI-BUNKER:
Naherholungsgebiet „Lübschützer Teiche“, 04827 Machern >> geöffnet 10.00 – 18.00 Uhr
10.00 – 17.00 Uhr: jeweils zur vollen Stunde: Führung durch das weitläufige Außengelände der ehemaligen Ausweichführungsstelle des Leiters der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Leipzig, abschließend Führung durch den Bunker möglich (3 Euro: Außengelände mit Bunker / 2 Euro: nur Bunker)
EHEMALIGE ZENTRALE HINRICHTUNGSSTÄTTE DER DDR
Zugang Arndtstraße 48, 04275 Leipzig >> geöffnet 11.00 – 15.00 Uhr
ständig Führungen durch die historischen Räume unter dem Titel „Todesstrafe in der DDR – Hinrichtungen in Leipzig“ (2 Euro)
Rahmenprogramm: Werksausstellung zum Thema
Stadtrundgang „Auf den Spuren der Friedlichen Revolution“
11.00 Uhr, Treffpunkt: Hauptportal Nikolaikirche
Führung zu den Brennpunkten des demokratischen Aufbruchs 1989 in Leipzig (3 Euro)
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NEUES AUF DEM GEBIET DER AUFARBEITUNG
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Am 23.09. werden in Leipzig weitere Stolpersteine zur Erinnerung an Verfolgte des NS-Regimes verlegt. Die Aktion startete im April dieses Jahres. Der Kölner Künstler Gunter Demnig ließ damals elf Steine mit Gedenkplatten vor den früheren Wohnhäusern von Deportierten in den Gehweg ein.
Weitere 15 Steine werden nun am Sonnabend, dem 23. September, verlegt. Viele haben mit ihren Recherchen dazu beigetragen, die Lebensgeschichte der Opfer zu rekapitulieren. Vor allem Jugendliche haben einen großen Anteil daran, dass das Projekt an gleich acht Orten fortgesetzt werden kann.
PROGRAMM AM 23. SEPTEMBER:
10.00 – 10.30 Uhr:
Verlegung von drei Steinen am Dittrichring 13 in Erinnerung an Familie Frankenthal
10.45 – 11.00 Uhr:
Verlegung von vier Steinen in der Talstraße 10 in Erinnerung an Familie Hinrichsen
11.15 – 11.30 Uhr:
Verlegung eines Steins in der Goldschmidtstraße 20 in Erinnerung an Henri Hinrichsen
Paten dieser Steine sind Familie Hanke sowie die Schüler und Lehrer der Henriette-Goldschmidt-Schule, die während eines halbjährigen Projekts nach der Geschichte der zu Tode gekommenen recherchierten.
13.00 – 13.25 Uhr:
Verlegung eines Steins am Lindenauer Markt 8 in Erinnerung an Erich Palusczyk. Patin ist Inge Huber, die Tochter von Erich Palusczyk.
13.45 – 14.10 Uhr:
Verlegung eines Steins in der Heinrich-Budde-Straße 50 in Erinnerung an Werner Schilling. Pate ist der Bürgerverein Gohlis.
14.15 – 14.35 Uhr:
Verlegung eines Steins in der Corinthstraße 9 in Erinnerung an Otto Keil. Der Stein wird finanziert aus Geldern, die auf dem Spendenkonto der Arbeitsgruppe „Stolpersteine“ eingingen.
14.45 – 15.10 Uhr:
Verlegung von drei Steinen in der Ehrensteinstraße 32 in Erinnerung an Familie Gattermeyer. Paten sind die Michaelisgemeinde sowie das Jugendpfarramt.
15.15 – 15.40 Uhr: Verlegung eines Steins am Nordplatz 3 zur Erinnerung an Dr. Felix Cohn. Pate ist der Verein Leipziger Gästeführer.
TAG DES OFFENEN DENKMALS
Bereits am 10. September, dem Tag des offenen Denkmals, präsentiert die Arbeitsgruppe „Stolpersteine“ ihr Projekt in der Trauerhalle auf dem Leipziger Südfriedhof, Prager Straße. In der Zeit von 10.00 bis 17.00 Uhr informiert die Gruppe über die Umsetzung der deutschlandweiten Aktion in Leipzig. Am Beispiel der Familie Gattermeyer, für die am 23. September drei Steine verlegt werden, können Besucher nachvollziehen, wie sich aus einem Eintrag im Einäscherungsregister des Südfriedhofs ein Schicksal ablesen lässt.
DAS PROJETK „STOLPERSTEINE“
Das Projekt „Stolpersteine“ sollen die Erinnerung an ehemalige Leipziger Bürger, die im Nationalsozialismus ihr Leben lassen mussten, wieder ins Gedächtnis rufen und wach halten. Koordiniert wird das Projekt von einer Arbeitsgruppe aus Leipziger Vereinen, Jugendverbänden und Museen. Der Leipziger Stadtrat unterstützt das Vorhaben und hat dazu bereits im Juni vergangenen Jahres einen Beschluss gefasst. Die Initiative dazu ging von der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen aus.
Anliegen des Projekts ist es, im öffentlichen Stadtraum, unmittelbar vor den früheren Wohnstätten von Opfern des Nationalsozialismus, auf deren Schicksal aufmerksam zu machen. Der Kölner Bildhauer Gunter Demnig, der ähnliche Projekte bereits in mehr als 50 anderen Städten betreut, fertigt dazu Betonsteine mit verankerter Messingplatte in einer Größe von 10x10x10 Zentimetern und lässt diese in die Gehwege vor den ehemaligen Wohnhäusern der Deportierten ein (www.stolpersteine.com). Den bereits verlegten sollen in den kommenden Monaten und Jahren weitere Steine folgen.
Dafür braucht es bürgerschaftliches Engagement, braucht es die Unterstützung vieler Menschen. Zunächst müssen die Adressen von Bürgern der Stadt, die in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert worden waren, recherchiert werden. Religionsgemeinschaften, Ämter und Forschungseinrichtungen und auch Leipziger Jugendliche, die sich im Rahmen von Schülerprojekten auf die Spuren der Vergangenheit begeben, helfen dabei. Die ersten verlegten Stolpersteine sollen somit nur ein Anstoß für möglichst viele Leipziger sein, sich unmittelbar mit der Geschichte ehemaliger Mitbürger, vielleicht sogar Nachbarn, auseinanderzusetzen.
Jeder Stolperstein braucht außerdem einen Paten. Privatpersonen oder Vereine, Stiftung, Parteien etc. können das für die Herstellung und Verlegung nötige Geld (95 € pro Stein) spenden (Konto der Stadt Leipzig, Ktnr. 1010001350, BLZ 86055592, Sparkasse Leipzig, Zahlungsgrund 9.017.714.1/961). In die Messingtafel des Steins werden dann die Worte „Hier wohnte“ und darunter Name, Jahrgang und Schicksal der betreffenden Person eingestanzt. Solcherart unauslöschlich gemacht, erinnert die Schrift dauerhaft an Verfolgte des Nazi-Regimes, die aufgrund ihrer Herkunft, Religion, sexuellen Orientierung oder politischen Gesinnung ihr Leben verloren.
ARBEITSGRUPPE „STOLPERSTEINE“ IN LEIPZIG
Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.
Bürgerkomitee Leipzig e.V.
Bürgerverein Waldstraßenviertel e.V.
Evangelische Jugend
Gedenkstätte für ehemalige ZwangsarbeiterInnen
Haus Steinstraße e.V.
Weitere Informationen erhalten Sie unter www.stolpersteine-leipzig.de. Dort können Sie Hinweise zu den verlegten Steinen sowie die Biografien der Opfer abrufen.
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AUS DER ARBEIT DER GEDENKSTÄTTE
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Seit dem vergangenen Monat sind 20.000 Objekte aus der Sammlung der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker inventarisiert. Das heißt: Sie wurden ausführlich wissenschaftlich untersucht, vermessen, beschrieben und fotografiert. Alle Daten, die die Museologen der Gedenkstätte dabei recherchierten, befinden sich nun in der zentralen Objektdatenbank und lassen sich dort jederzeit unkompliziert abrufen. So sind Sammlungsstücke schnell auffind- und beschreibbar, wenn Sie für Sonderausstellungen, bei Leihanfragen anderer Museen oder für Forschungsvorhaben benötigt werden.
Beim 20.000. Objekt, das in die Datenbank aufgenommen wurde, handelt es sich um eine Kamera, mit der die Staatssicherheit konspirative Fotos anfertigte. Versteckt in einer Umhängetasche machte der Apparat heimliche Aufnahmen möglich – zum Beispiel bei Treffen von Umweltgruppen, kirchlichen Versammlungen oder anderen Veranstaltungen, die vom MfS überwacht wurden.
Die Halbformatkamera HFK wurde Mitte der 70er Jahre vom Operativ-technischen Sektor (OTS) des MfS entwickelt. Die Nullserie stand im März 1980 zur Verfügung. Die HFK I war für die Infrarot-Fotografie (IR-Fotografie) aus transportablen Tarnungen vorgesehen und wurde in kleinen Stückzahlen vom MfS selbst gefertigt. Die Taschen, die als Tarnungen dienten, bestanden aus einem in Ungarn entwickelten IR-durchlässigen Kunstleder, das das Blitzen mit einem IR-Blitzgerät aus der geschlossenen Tasche heraus ermöglichte. Für den Einsatz bei Tageslicht entwickelte man die HFK II, die aber nicht in Serienproduktion ging. Anfang der 80er Jahre wurde für die Tagesfotografie die HFK III hergestellt. Das hierfür verwendete Steuergerät und den Doppellamellenverschluss entwickelte der Dresdner VEB Pentacon, der auch mit der Fertigung beauftragt wurde. Weil stetig eine größere Stückzahl benötigt wurde, ließ die Staatssicherheit später auch den Kamerakörper selbst (Decknummer 14705) bei Pentacon herstellen.
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AUS DEM GÄSTEBUCH
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Mehrere tausend Menschen besuchen monatlich die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker. Manche leben in Leipzig und kommen – häufig mit Gästen – immer wieder in die Ausstellung. Andere kommen von weit her zu Besuch in die Stadt und wollen hier sehen, wo und wie vormals das berüchtigte Ministerium für Staatssicherheit arbeitete.
Viele unserer Besucher hinterlassen eine Notiz im Gästebuch und schreiben hier ihre Eindrücke nieder, die sie in der Gedenkstätte gesammelt haben. Unter dieser Rubrik geben wir monatlich einige dieser Einträge an Sie weiter.
„Als gebürtige Leipzigerin bin ich meinen Eltern zutiefst dankbar, dass sie mich vor dem Mauerbau aus dieser ‚Hölle’ gerettet haben.“
Eintrag einer Besucherin aus Rom vom 04.08.2006
„Arbeit für alle und Jugendclubs sind eben nicht alles.“
Eintrag eines Besuchers vom 10.08.2006
„An important memorial to the banality of evil to which each of us could be subjected at any time.“
Eintrag eines Besuchers aus Kanada vom 11.08.2006
„Und sie kriechen aus ihren Höhlen und wollen die Größten sein. Nie wieder? Hoffentlich! 40 Jahre Diktatur und Unterdrückung und Verdummung sind genug.“
Eintrag eines Besuchers aus Schorndorf vom 14.06.2006
„An uns ist dieser Kelch gott-sei-dank vorübergegangen (auch wir waren sowjetisch besetzt). War ´89 im Burgenland tätig, als viele über Ungarn kamen; kenne alles nur aus Erzählungen und Berichten, bin für diese Gelegenheit dankbar. P.S.: 2 x Diktatur in 100 Jahren – das muß reichen!“
Eintrag einer Besucherin aus Wien vom 14.08.2006
„Das war sehr interessant, etwas Ähnliches haben wir in Rumänien auch erlebt. Leider, bei uns gibt es noch keine richtige Wende. Erst wenn bei uns auch so ein Museum eingerichtet würde! Wir könnten aus unseren Erfahrungen auch viel erzählen.“
Eintrag von Besuchern aus Rumänien, Siebenbürgen, vom 23.08.2006
„Vor 17 Jahren sind wir ganz mutig an der ‚Runden Ecke’ vorbeimarschiert, heute kommen wir endlich dazu, diese Ausstellung und somit die ‚Runde Ecke’ von innen zu sehen. Man vergißt ja sonst so vieles, und unseren Kindern wollen wir viel von dieser Zeit mitgeben.“
Eintrag von Besuchern aus Aachen (früher Leipzig) vom 25.08.2006