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  Newsletter Februar 2009

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

die Gedenkstätte hat sich für das Jahr 2009 viel vorgenommen. Gleich zum Auftakt des  20-jährigen Jubiläums der Friedlichen Revolution haben wir mit der neuen Reihe „Wir sind das Volk!“ Montagsgespräche in der „Runden Ecke“ begonnen. Am 5. Januar war der ehemalige Bürgerrechtler Michael Arnold bei uns zu Gast und diskutierte mit den Moderatoren Reinhard Bohse und Tobias Hollitzer über sein politisches Engagement vor und nach 1989. ein Resümee darüber finden Sie in unserem Rückblick.

Auch im Februar laden wir Sie wieder herzlich zu unserer Reihe „Wir sind das Volk!“ -  Montagsgespräche in der „Runden Ecke“ ein, diesmal mit Jochen Läßig, der unter anderem von seinem Engagement in der Bürgerrechtsbewegung, so etwa als Organisator des Straßenmusikfestivals im Juni 1989, erzählen wird.

Wir freuen uns, Sie im Laufe des Jahres bei weiteren Veranstaltungen und nicht zuletzt unserer Sonderausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ begrüßen zu können und wünschen Ihnen nun erst einmal eine gute Lektüre des aktuellen Newsletters.

 

Ihr Bürgerkomitee Leipzig

 

 

 

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INHALT

Wir laden ein

Rückblick

Neues auf dem Gebiet der Aufarbeitung

Aus der Arbeit der Gedenkstätte

Aus dem Gästebuch

 

 

 

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WIR LADEN EIN

 

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2. FEBRUAR 2009, 19.00 UHR

MONTAGSGESPRÄCH mit Jochen Läßig

20 Jahre nach der Friedlichen Revolution laden das Bürgerkomitee Leipzig e. V. und das Historische Seminar der Universität Leipzig zu einer Gesprächsreihe mit Zeitzeugen ein, die jeden ersten Montag im Monat stattfinden wird. Im Mittelpunkt stehen Einzelpersonen, die sich in besonderer Weise an der Friedlichen Revolution beteiligten und einen gleichermaßen außergewöhnlichen wie exemplarischen Lebensweg haben. Die Persönlichkeiten bekommen die Möglichkeit, ausführlich und gründlich über ihr Leben vor der Friedlichen Revolution und ihre Teilnahme an derselben zu berichten. Diesmal ist Jochen Läßig zu Gast, Leipziger Bürgerrechtler, der heute als Rechtsanwalt arbeitet. Die Moderation haben Reinhard Bohse und Tobias Hollitzer.

 

Die Veranstaltung findet im ehemaligen Stasi-Kinosaal im Museum in der „Runden Ecke“ statt, der Eintritt ist frei.

 

 

 

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RÜCKBLICK

 

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5. Januar 2009: „Wir sind das Volk!“ – Montagsgespräch in der „Runden Ecke“ mit Michael Arnold

 

Er will keine Märchen erzählen über die Friedliche Revolution, sagte Michael Arnold. Was er vor 20 Jahren wollte, war, Menschen wachrütteln über die unmöglichen Zustände in der DDR, aktiv gegen die SED-Diktatur angehen, Flugblätter schreiben, vervielfältigen und verteilen, zu öffentlichem Protest aufrufen, was Ende der 1980er in der DDR nicht ungefährlich war.

 

Bei der Auftaktveranstaltung der neuen Reihe „Wir sind das Volk!“ – Montagsgespräche in der „Runden Ecke“ ließ sich der erste Gast von den beiden Moderatoren Reinhard Bohse und Tobias Hollitzer fast zwei Stunden lang vor den etwa 40 Besuchern zu seinem Leben befragen, erzählte so manche Anekdote, machte aber auch immer wieder klar, warum er sich damals als Student der Zahnmedizin an der Universität Leipzig in Bürgerrechtsgruppen engagierte.

 

„Wann haben Sie den Ruf „Wir sind das Volk!“ zum ersten Mal gehört?“ so die Eingangsfrage von Reinhard Bohse. Den habe er zum ersten Mal im Oktober 1989 gehört und ihn als eine sehr gemeinschaftliche, starke Manifestation empfunden. Da sei nichts vorher diktiert worden, das haben die Menschen von sich aus gespürt, dass sich etwas verändert.

 

Nach dieser Einstiegsfrage gingen die Moderatoren chronologisch vor. Michael Arnold erzählte von seiner Kindheit in Meißen, seinen Eltern, die SED-Mitglieder waren, von seiner Mutter, mit der er dann allein lebte. Mit ihr war es trotz ihrer Parteizugehörigkeit möglich, über bestimmte Dinge zu sprechen, über die man sonst in der DDR nicht reden konnte. Arnold war in seiner Schulzeit nie direkt mit Repressalien konfrontiert, wohl aber merkte er, dass es aus politischen Gründen nicht allen Jugendlichen möglich war, auf die Erweiterte Oberschule (EOS) zu gehen. Arnold hatte das Glück und beschreibt diese Zeit für sich selbst als relativ unpolitisch. Der Widerstand eines 16-jährigen bestand damals im Tragen von Jeans.

 

Nach seinem Abitur verbrachte er drei Jahre beim Wachregiment des MfS in Ost-Berlin. Hier hatte er vor allem medizinische Aufgaben. Welche politische Bedeutung dieses Wachregiment hatte, war ihm damals, wie er sagt, „schnurz.“ Ob es dort vermehrt zu Anwerbungen durch die Stasi gekommen sei, wollten Bohse und Hollitzer wissen. Arnold vermutete, dass die Anzahl der Anwerbungen auch nicht höher war als in anderen politischen Einrichtungen. Zudem sei die Zeit beim Wachregiment auch nur die lästige, aber nötige Pflicht gewesen, wollte man studieren. Arnold legte sich jedoch auch schon vor seinem Studium eine kritische Haltung zum System zu und lehnte etwa die Innendienstvorschriften des Wachregiments ab. Als er diese kopierte und kirchlichen Kreisen zukommen ließ, was streng verboten war, brachte ihm das auch eine Disziplinarstrafe ein. Studieren konnte er trotzdem.

 

In Leipzig selbst, wohin er 1985 zum Studium der Zahnmedizin zog, habe er sich in einem relativ systemloyalen Umfeld wieder gefunden. Studenten sind in der DDR ein „gesiebtes Volk“ gewesen, so Arnold. Kontakt zu Oppositionellen bekam er damals über die Kirche, so etwa in der Initiativgruppe Leben, die Arnold als eine recht inhomogene Gruppe beschreibt, deren Konzept es war, offenkundige, jedoch verschwiegene Probleme, offenkundig zu machen. In den Jahren 1988/89 war Arnold in Oppositionskreisen sehr aktiv. Als er zusammen mit anderen Bürgerrechtlern zu einer Protestkundgebung für Freiheit und Menschenrechte am 15. Januar 1989, dem offiziellen Luxemburg-Liebknecht-Gedenktag, aufrief und daraufhin noch vor dem Tag der Demonstration verhaftet wurde, empfand das Arnold als normal. Man sei ohnehin ständig zugeführt worden, gerade vor solchen Feiertagen. Dass der Haftaufenthalt im Januar 1989 länger dauerte als gewöhnlich, verunsicherte ihn allerdings. Seine Freilassung wenige Tage später, auf die die Rücknahme der Exmatrikulation folgte, war für Arnold das „Aha-Erlebnis.“ Dass die Stasi ihn trotz eindeutiger Beweise laufen lassen musste, habe ihn nicht mutiger gemacht, doch habe er gemerkt, dass er an dieser Stelle nicht aufhören konnte.

 

Arnold erzählte von den verschiedenen Aktionen des Jahres 1989, von seinem Versuch „aus der Vereinzelung heraus zu kommen“ und sich mit anderen Bürgerrechtsgruppen zu vernetzen, nach dem Vorbild der Charta 77. Seine „Initiative zur Erneuerung der Gesellschaft“ mit der unter anderem im Januar 1989 die Flugblätter unterzeichnet waren, sollte ein solch überregionaler Zusammenschluss werden. Aus diesem Grund traf er sich mit Bürgerrechtlerinnen wie Bärbel Bohley und Katja Havemann, die ihn zum Gründungstreffen des Neuen Forums einluden. Arnold wurde einer der Leipziger Sprecher.

 

„Wie haben Sie ´89 in die Zukunft geschaut?“ war eine der Fragen. Arnold sprach von dem Gefühl der Unsicherheit, dass niemand wusste, wie es gesellschaftlich weitergehen solle. Die Konzepte des Neuen Forums wurden von der Geschichte überrollt. Sein Mandat als Abgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag von 1990 bis 1994 sei so gar nicht vorgesehen gewesen, allerdings war es Michael Arnold wichtig, die Akteneinsicht zu sichern, um die Vergangenheit aufzuarbeiten. Er wollte damals gegen das Vergessen und Verharmlosen der DDR angehen. Die Tatsache, dass sich bei seiner eigenen Akteneinsicht heraus stellte, dass sich ein IM in der eigenen Oppositionsgruppe befunden hatte, nimmt Arnold heute relativ gelassen. Es sei wohl für manche Menschen in der DDR attraktiv gewesen, beim Geheimdienst zu sein und ein wenig James Bond zu spielen.

 

„Hat sich der Aufwand gelohnt?“ so eine der letzten Fragen der Moderatoren. Daraufhin beschrieb Arnold vor allem das Gefühl der gewonnenen Freiheit: „Dass ich heute aus Sachsen heraus und dann in Thüringen über die ehemalige Staatsgrenze fahren kann, ist unglaublich.“

 

Was beim Neuanfang versäumt worden sei, so eine der Fragen aus dem Publikum. Arnold antwortete, man habe feststellen müssen, dass sich nicht alles von Grund auf verändern ließ, dass man von den Ereignissen damals eben überrollt worden ist. Das Bestreben der Bürgerrechtler, eine neue Verfassung zu schreiben, sei nicht von der Masse der Bevölkerung aufgenommen worden.

 

Nach diesen beeindruckenden zwei Stunden blieb wenig Zeit für weitere Diskussionen, doch Michael Arnold kam auch noch nach dem offiziellen Teil dazu, mit Leuten aus dem Publikum ins Gespräch zu kommen.

 

+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++AUS

 

AUS DEM GÄSTEBUCH

 

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Mehrere tausend Menschen besuchen monatlich die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker. Manche leben in Leipzig und kommen – häufig mit Gästen – immer wieder in die Ausstellung. Andere kommen von weit her zu Besuch in die Stadt und wollen hier sehen, wo und wie vormals das berüchtigte Ministerium für Staatssicherheit arbeitete.

 

Viele unserer Besucher hinterlassen eine Notiz im Gästebuch und schreiben hier ihre Eindrücke nieder, die sie in der Gedenkstätte gesammelt haben. Unter dieser Rubrik wollen wir monatlich einige dieser Einträge an Sie weitergeben.

 

 

„Ich finde die Ausstellung sehr informativ und interessant. Allgemein sehe ich eine große Lücke, da das Thema DDR – speziell Stasi in unserem Geschichtsunterricht zu kurz kommt oder gar nicht behandelt wird. Hoffentlich werden viele junge Menschen diese Ausstellung besuchen um mehr über dieses Kapitel der dt. Geschichte zu erfahren.“

Eintrag einer Besucherin aus der Südpfalz vom 7.01.2009

 

“Wow!! Hard to believe... However I am afraid of what is happening in the U.S.A. now. Reminds me of this...Germany for all it’s faults is proving to be amazing! Thank you”  

Eintrag eines Besuchers vom 13.01.2009

 

„This museum is really interesting and important, people should never forget history in order not to make the same mistakes. Thanks“

Eintrag zweier Besucher aus Italien vom Januar 2009

 

„’Früher war alles besser...’ Seit 4 Jahren lebe ich nun in Ostdeutschland + ich lebe sehr gerne hier! Aber bei der ständigen Verharmlosung + Glorifizierung der DDR wird mir schlecht! Gut, dass es dieses Museum gibt! Weiter so!“

Eintrag einer Besucherin vom Januar 2009

 

 


 



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Die Arbeit des Bürgerkomitees wird gefördert durch die Stiftung Sächsische Gedenkstätten aus Mitteln des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien auf der Grundlage eines Beschlusses des Deutschen Bundestages und des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst sowie durch die Stadt Leipzig und den Kulturraums Leipziger Raum.

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Bürgerkomitee Leipzig e.V.
für die Auflösung der ehemaligen Staatssicherheit (MfS)
Träger der Gedenkstätte
Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker
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