2023 - Jahrestag des 17. Juni 1953
Der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 gegen die kommunistische Diktatur in der DDR ist ein zentrales Datum der deutschen Demokratiegeschichte. Nur wenige Jahre nach dem Ende der NS-Diktatur und der kurze Zeit später im Osten Deutschlands errichteten kommunistischen Diktatur gingen die Menschen in fast 700 Orten für Freiheit, Demokratie und Deutsche Einheit auf die Straße. Das Eingreifen der sowjetischen Besatzungsmacht und der Deutschen Volkspolizei schlug diesen friedlichen Aufstand blutig nieder.
Anlässlich des 70. Jahrestages laden das Bürgerkomitee Leipzig e.V. und die Stadt Leipzig in Zusammenarbeit mit der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS) am 17. Juni 2023 zu einer mehrteiligen Gedenkveranstaltung ein.
Im Kontext des Gedenktages bietet das Bürgerkomitee Leipzig e.V. verschiedene Veranstaltungen an, darunter themenbezogene Führungen, Schülerveranstaltungen sowie Dokumentarfilme.
Seit 1945 gab es Widerstand gegen die Errichtung einer kommunistischen Diktatur im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands, der seinen Höhepunkt in den Protesten vom 17. Juni 1953 fand. In diesem ersten antidiktatorischen Aufstand im kommunistischen Machtbereich zeigte sich das Streben der Menschen in der DDR nach Demokratie und Freiheit, das am militärischen Eingreifen der sowjetischen Besatzungsmacht scheiterte. Erst im Herbst 1989 führte eine wirklich Friedliche Revolution zum Sturz der SED-Diktatur.
Zentrale Gedenkveranstaltung an drei Gedenkorten für die Opfer des Volksaufstandes
Der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, Herr Burkhard Jung, und der Leiter der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“, Herr Tobias Hollitzer, laden Sie in Zusammenarbeit mit der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS) und des Bundes der Stalinistisch Verfolgten (BSV) anlässlich des 70. Jahrestages des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 im Gedenken an die Opfer zu einer mehrteiligen Gedenkfeier ein.
Beginn ist um 15.00 Uhr am Denkmal „Panzerspuren“ im Salzgässchen. Dort wird nach einer Ansprache des Oberbürgermeisters der Stadt Leipzig, Burkhard Jung, der Leiter der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“, Tobias Hollitzer, zu Wort kommen und anschließend die Direktorin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Dr. Anna Kaminsky, die Gedenkrede halten. An eine Schweigeminute und Blumenniederlegung schließt sich ein „Historischer Spaziergang“ entlang von Fotos an relevanten Ereignisorten in der Innenstadt an. Diesem Spaziergang schließt sich der zweite Teil der Veranstaltung in der Straße des 17. Juni an.
16.20 Uhr wird der Zeitzeuge Thomas Reininger an der Gedenktafel für die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft in der Straße des 17. Juni seine Erinnerungen an die Geschehnisse von 1953 schildern. Danach stellen zwei Schülerinnen des Immanuel-Kant-Gymnasiums in Leipzig die Ergebnisse ihres Schülerprojektes „Was geht uns der 17. Juni 1953 heute an?“ vor. Am Ende werden auch hier im Rahmen einer Gedenkminute Blumen zur Erinnerung an die Opfer niedergelegt.
Mit der Straßenbahn „Dieter Teich“, benannt nach dem ersten Todesopfer des Volksaufstandes in Leipzig, geht es um 17.05 Uhr ab der Haltestelle Münzgasse zum Leipziger Südfriedhof und hier zur Grab- und Gedenkanlage für die „Opfer der Gewaltherrschaft 1945-1989“. Dort werden ab 17.30 Uhr die Bürgermeisterin und Beigeordnete für Kultur, Dr. Skadi Jennicke, der stellvertretende Vorsitzende des Stadtverbandes des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V., Dr. Günter Schmidt, sowie Vertreter der jungen Generation der insgesamt neun Todesopfer aus dem damaligen Bezirk Leipzig gedenken, indem sie deren Kurzbiografien verlesen. Im Anschluss findet eine Kranzniederlegung statt. Um 18.30 Uhr endet die zentrale Gedenkveranstaltung mit der Rückfahrt der Straßenbahn „Dieter Teich“ vom Südfriedhof zur Haltestelle Münzgasse.
Musikalisch umrahmt wird die gesamte Gedenkveranstaltung von den Leipziger Blechbläsersolisten.
Ein Video-Mitschnitt der Veranstaltung wird ab 18.00 Uhr im Internet unter https://youtube.com/live/a1GBf6teJU8/JYvhGWDm7Wc und später als Video abrufbar sein.
Open-Air-Fotoausstellung an historischen Ereignisorten in der Leipziger Innenstadt
Eine Projektförderung der Stiftung Sächsische Gedenkstätten im Rahmen des Programms „Sehnsucht Freiheit 17. Juni 1953“, aus Steuermitteln auf Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtages beschlossenen Haushaltes hat eine Open-Air-Fotoausstellung „Volksaufstand vom 17. Juni 1953 gegen die SED-in Leipzig“ möglich gemacht.
Die Ausstellung der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ wird bei der zentralen Gedenkveranstaltung im Rahmen eines „Historischen Spaziergangs“ eröffnet und bleibt bis zum 11. Juli 2023 stehen, da an diesem Tag erst der Ausnahmezustand für die Stadt Leipzig aufgehoben wurde. Der Rundgang beginnt im Anschluss der Gedenkveranstaltung im Salzgässchen und stellt die Verbindung zum zweiten Teil der Gedenkveranstaltung in der Straße des 17. Juni her.
An fünf Orten in der Leipziger Innenstadt werden jeweils drei historische Großfotos mit Erläuterungen der damaligen Ereignisse präsentiert. Im heutigen Salzgässchen, am Markt, in der Straße des 17. Juni, am Peterssteinweg und auf dem Simsonplatz geben diese Fotos einen Überblick über das damalige Geschehen.
Thematische Rundgänge
Im Kontext des Gedenktages bietet das Bürgerkomitee Leipzig e.V. mehrere Veranstaltungen an, darunter themenbezogene Führungen. Am 18. und 25. Juni 2023 jeweils um 11.00 Uhr kann man „Auf den Spuren des 17. Juni“ die wichtigsten Ereignisorte des Volksaufstandes in einem geführten Stadtrundgang erkunden. Treff: jeweils 11.00 Uhr, Volkshaus, Karl-Liebknecht-Straße 32.
Der Ausstellungsführung, „Auf dem Weg zur Friedlichen Revolution in Leipzig“, zeigt neben den Ereignissen im Jahr 1989 auch Filmaufnahmen des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 in Leipzig. Die Führungen finden am 16., 23. und 30. Juni 2023 jeweils um 16.30 Uhr im ehemaligen Stasi-Kinosaal der Gedenkstätte statt.
Dokumentarfilme zur kommunistischen Willkür in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“
In der Woche vor dem Gedenktag werden Dokumentarfilme aus der Reihe „Schicksale von Opfern der stalinistisch-kommunistischen Willkür“ von Dirk Jungnickel im ehemaligen Stasi-Kinosaal gezeigt. Die erste umfangreiche Filmdokumentation nach der ”oral history”–Methode berichtet sehr authentisch über die Schicksale von Frauen und Männern, die unschuldig in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und frühen DDR in die Fänge der sowjetischen Geheimpolizei NKWD, der DDR-Staatssicherheit sowie in die Mühlen der SED-Justiz gerieten. Erst nach der Friedlichen Revolution wagten sie es über ihre Schicksale und den Terror der Nachkriegszeit in der SBZ/DDR zu berichten.
Die ZeitZeugen–Reihe belegt an Beispielen von Einzelschicksalen die Auswirkungen von totalitären Machtstrukturen im kommunistischen System. Die in den ersten Jahren nach dem Ende der SED-Diktatur gedrehten Interviews sind inzwischen selbst eine historische Quelle geworden, da viele der Interviewten leider nicht mehr leben. So hat Dirk Jungnickel diese Filme gleichermaßen für die politische Bildung wie für die zeitgeschichtliche Forschung produziert.
Am Mittwoch, den 14. Juni 2023, 19.30 Uhr, wird der Film „Wir waren schon halbe Russen“ gezeigt. Durch vier Zeitzeugen, die den GULAG Westsibiriens überlebten, werden die Deportationen der Sowjets in der Nachkriegszeit thematisiert.
Am Donnertag, den 15. Juni 2023, 19.30 Uhr, folgt der Dokumentarfilm „…und die Übrigen werden erschossen“. Sieben Frauen und Männer berichten, wie sie als Jugendliche unschuldig oder wegen geringster Vergehen durch Sowjetische Militärtribunale zu hohen Lagerstrafen bis zum Tode verurteilt wurden.
Am Freitag, den 16. Juni 2023, 19.30 Uhr, wird dann der Film „Wir sprechen Recht!“ präsentiert. Anhand von sechs Einzelschicksalen wird einer der größten deutschen Justizskandale in der Nachkriegszeit durch die sogenannten Waldheimer Nazi- und Kriegsverbrecherprozesse belegt.
Am Samstag, den 17. Juni 2013, 19.30 Uhr, schließt dann die Doku „…Agenten, Faschisten und Provokateure…“ die Filmreihe ab. Zeitzeugen berichten über die Ereignisse des 17. Juni 1953 in Görlitz, Leipzig, Jena und Magdeburg und darüber, welche Motive sie veranlassten, sich an dem Volksaufstand zu beteiligen.
Schülerveranstaltungen mit Filmvorführung, Zeitzeugengespräch und Ausstellungsbesuch
Darüber hinaus bietet das Bürgerkomitee Leipzig e. V. am 23. Juni 2023 um 9.00 Uhr und um 11.30 Uhr Schülerveranstaltungen an, in denen der Film „Wir wollen freie Menschen sein“ von Freya Klier gezeigt wird und anschließend mit der Schwester des am 17. Juni 1953 erschossenen 15-jährigen Paul Ochsenbauer über die damaligen Ereignisse diskutiert werden kann. Im Anschluss haben die Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit, die historische Dauerausstellung oder die Ausstellung „Auf dem Weg zur Friedlichen Revolution in Leipzig“ in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ zu erkunden.
Das Vermächtnis des Volksaufstandes ist aktueller denn je
In der DDR wurde der Aufstand als ein vom Westen gesteuerter faschistischer Putschversuch diffamiert, so dass ein angemessenes Gedenken erst nach der Friedlichen Revolution möglich wurde. Auch wenn der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 gegen die kommunistische Diktatur nunmehr fast 70 Jahre zurückliegt, müssen wir immer wieder daran erinnern und uns dieser Geschichte vergewissern. Denn Freiheit und ein demokratischer Rechtsstaat sind nicht selbstverständlich. Sie müssen immer wieder hart erkämpft und verteidigt werden.
Dies zeigt auch der seit inzwischen über einem Jahr andauernde völkerrechtswidrige Vernichtungskrieg Russlands gegen die Ukraine, in dem das ukrainische Volk seine Freiheit und ein Leben auf Basis einer demokratischen Werteordnung gegen Putins postsowjetische Diktatur verteidigt. Der Aufstand für eine demokratische und europäische Ukraine 2014 auf dem Maidan in Kiew wurde ebenso als faschistisch diskreditiert wie der KGB-Mann Putin heute noch behauptet, die Ukraine von Faschisten befreien zu müssen.
Aktive Erinnerung an den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 und seine Opfer ist für die Gestaltung unseres demokratischen Rechtsstaates unverzichtbar
Seit 1945 gab es Widerstand gegen die Errichtung einer kommunistischen Diktatur im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands, der einen ersten Höhepunkt in den Protesten vor 70 Jahren fand. Vom 16. bis 21. Juni 1953 kam es in fast 700 Städten und Gemeinden der damaligen DDR zu Demonstrationen und Streiks von insgesamt mehr als einer Million Menschen. In Leipzig legten am 17. Juni insgesamt 27.000 Arbeiter und Angestellte in über 80 Betrieben die Arbeit nieder. Am Nachmittag demonstrierten bereits über 40.000 Menschen auf verschiedenen Routen durch Leipzig. Schon damals waren „Deutsche Einheit“ und „Freie Wahlen“ zentrale Forderungen des friedlichen Protestes. So zeigte sich in diesem ersten antidiktatorischen Aufstand im kommunistischen Machtbereich das Streben der Menschen in der DDR nach Demokratie und Freiheit, das schließlich am militärischen Eingreifen der sowjetischen Besatzungsmacht scheiterte.
Mit dem Einsatz von Schusswaffen und der Verhängung des Ausnahmezustandes wurden alle Hoffnungen auf Veränderungen zerstört. Neun Tote und mindestens 95 Verletzte waren allein im Bezirk Leipzig zu beklagen. Unmittelbar nach dem Aufstand setzte eine große Verhaftungswelle ein. Von den durch Stasi und Volkspolizei in Leipzig fast 1.000 Verhafteten wurden in den Folgemonaten über 100 Personen – teils in Schauprozessen – zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, einer durch ein sowjetisches Militärtribunal (SMT) auch zum Tode.
Es folgten die Volksaufstände in Ungarn 1956 und der CSSR 1968, die Solidarnosc-Bewegung in Polen der 1980er Jahre und schließlich die Revolutionen, die 1989 die kommunistischen Regime in Osteuropa zu Fall brachten. Am 17. Juni 1953 misslang das, was am 9. Oktober 1989 vollendet werden konnte.
Ein bewusstes Erinnern an den Volksaufstand und seine Opfer war in der DDR nicht möglich. Während die Bundesrepublik den 17. Juni zum gesetzlichen Feiertag und später zum nationalen Gedenktag erklärte, wurde er vom SED-Regime bis zum Schluss als „faschistischer“ bzw. „konterrevolutionärer Putschversuch“ diffamiert. Seit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 wurde der bisherige Nationalfeiertag in Westdeutschland vom 17. Juni auf den 3. Oktober gelegt. Der 17. Juni scheint jenseits runder Jubiläen zunehmend in den Hintergrund und damit in Vergessenheit zu geraten. Dies darf nicht passieren! Denn gerade dieser friedliche Aufstand für Freiheit und Demokratie gegen die kommunistische Diktatur zeigt eindrücklich, wie unerlässlich die 1989 erworbene Demokratie und Freiheit sind und dass wir uns für deren Erhalt immer wieder besonders auch in der Gegenwart einsetzen müssen.
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