Objekt- und Fotodatenbank Online im Museum in der Runden Ecke



Inventar-Nr: 17110
Objekt: Handzettel


Flugblatt der Demokratie-Initiative 90 mit dem Aufruf für eine Aufnahme der Volksgesetzgebung in die Verfassung und für einen direktdemokratischen Weg zur Erarbeitung der Verfassung (Unterschriftensammlung für eine Eingabe an die Volkskammer)

Nach dem Erfolg des 9. Oktober 1989 in Leipzig waren politische und gesellschaftliche Veränderungen in der gesamten Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nicht mehr aufzuhalten. Die landesweiten Massenproteste während der Friedlichen Revolution führten letztendlich zum Sturz des SED-Regimes und zur allmählichen Demokratisierung der Gesellschaft. Ein Bespiel für die seit Oktober 1989 erreichte Mündigkeit der Bürger war der vorliegende Aufruf der "Demokratie-Initiative 90" - Sektion DDR mit der Forderung nach einer Volksgesetzgebung. Das überparteiliche Projekt "Demokratie-Initiative 90" entstand am 1. Januar 1990 während einer Konferenz um die Jahreswende 1989/90 im internationalen Kulturzentrum Achberg, an der Teilnehmer aus Ungarn, der DDR, der Schweiz, der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und Österreich teilnahmen. Deren DDR-Sektion startete von Leipzig aus am 15. Januar 1990 eine landesweite Unterschriftensammlung für eine Volksabstimmung über die Aufnahme der Volksgesetzgebung in die Verfassung der DDR und für einen direktdemokratischen Weg zur Erarbeitung der Verfassung. Auf dem vorliegenden in der Mitte gefalteten vierseitigen Blatt ist der Aufruf mit dem Grundanliegen der Initiativbewegung nebst einer Unterschriftenliste und der Angabe der zentralen Koordinations- und Sammelstelle der Initiativbewegung in Leipzig abgedruckt. Die Unterschriftenaktion sollte ursprünglich bis Ende März 1990 abgeschlossen sein und der im Aufruf geforderte Volksentscheid über die zwei unterbreiteten Vorschläge für den 7. Oktober 1990 erfolgen. Einschneidende politische Ereignisse im Frühjahr 1990 berührten aber Punkte des Aufrufes entscheidend, die genannten Termine waren dadurch hinfällig geworden. Der sich nunmehr abzeichnende Weg zur deutschen Einheit modifizierte das Anliegen der Demokratie-Initiative 90. Die Forderung richtete sich nun auf die "Erarbeitung einer gesamtdeutschen Verfassung" (gemäß Grundgesetz der BRD Artikel 146) unter gesellschaftlicher Beteiligung (vgl. dazu auch die Ergänzungen zur Unterschriftensammlung). Mit den neuen Zielgedanken wurde die Unterschriftenaktion weiter geführt. Am 31. Mai 1990 übergab man die gesammelten Unterschriften dann der Volkskammer der DDR. Der von der Demokratie-Initiative 90 aus der Idee der "dreistufigen Volksgesetzgebung" entwickelte Vorschlag für ein entsprechendes Verfahren zur Erarbeitung einer neuen Verfassung und deren plebiszitären Beschluss fand jedoch vor den ersten gesamtdeutschen Wahlen (2. Dezember 1990) weder in der Volkskammer noch im Bundestag der BRD größere Beachtung.

Im Frühjahr 1990 stand die Vollendung der Deutschen Einheit als politisches Ziel nicht mehr grundsätzlich in Frage. Offen war aber noch, auf welchem Weg und in welchem Zeitraum sie verwirklicht werden würde. Kritiker warnten wiederholt vor nationalem Überschwang und ungehemmten Sozialabbau. Auch die Bundesregierung hatte zunächst auf einen längeren Prozess der Annäherung gesetzt. Die wichtigsten Impulse für eine schnelle Wiedervereinigung gingen von den Straßen der DDR aus. Viele Menschen sahen die rasche Vereinigung als Weg zum Erlangen von schnellen Wohlstand und Demokratie an. Nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland konnte die Einheit einerseits durch die Verabschiedung einer neuen gemeinsamen Verfassung (Artikel 146) hergestellt werden. Andererseits konnte die DDR der Bundesrepublik beitreten (Artikel 23). Die Bundesregierung von Kanzler Helmut Kohl favorisierte schnell letztere Lösung. Mit dem Wahlsieg der "Allianz für Deutschland" bei den ersten freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990 war deutlich geworden, dass auch die Mehrheit der Ostdeutschen diesen Weg bevorzugte.


Sammlung: Plakatsammlung
Datierung: 15.01.1990
Hersteller: Demokratie-Initiative 90
Maße: Breite: 21 cm; Länge: 29,7 cm
Material: Papier
Farbe: Blatt: weiß,
Aufdruck: schwarz
Verwendung: Information, Protest und Demonstrationen









IMPRESSUM   |   DRUCKEN