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Inventar-Nr: 17523
Objekt: Handzettel


Flugblatt mit dem Aufruf des Friedenskreises der Erlösergemeinde Berlin zur Unterstützung der Kommunalwahlen in der DDR 1989

Mit diesem Aufruf richtete sich der Friedenskreis der Erlösergemeinde Berlin im Vorfeld der Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 an die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und forderte dazu auf, entsprechend dem Wahlgesetz aktiv von "dem Grundrecht der Mitbestimmung und Mitgestaltung unserer Volksvertretungen Gebrauch zu machen." Neben Vorschlägen für eine Reformierung des Abstimmungsverfahrens wird in dem Aufruf auch an die theoretische Möglichkeit erinnert, unabhängige Kandidaten für die Wahlen aufstellen zu lassen. Der Aufruf wurde auf einer Schreibmaschine erstellt und auf einer Maschine vervielfältigt (Schablonenabzug). Bereits seit 1988 hatte in der Opposition die kritische Auseinandersetzung mit der Kommunalwahl begonnen, zahlreiche Oppositionsgruppen gingen gegen die Wahlen vor und riefen zum Wahlboykott und zur Wahlkontrolle auf. Auch die Kirchen übten zunehmend Kritik und forderten eine Reform des Wahlrechtes. Unmittelbar nach der offensichtlichen Wahlfälschung durch die SED organisierte die Opposition zahlreiche Protestaktionen und Demonstrationen. So legte beispielsweise die Initiative Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung (IAPPA) einen Vorschlag zum Dialog vor, der zu einer Reform des Wahlrechts führen sollte.

In der DDR gab es keine freien Wahlen. Die Kommunal- und Volkskammerwahlen besaßen aber eine wichtige Legitimationsfunktion für die "sozialistische Demokratie". Die stimmberechtigten Bürger konnten dabei nicht zwischen einzelnen Parteien oder Kandidaten wählen. Vielmehr sollte durch die Zustimmung zu den Kandidaten der Nationalen Front die Politik der SED und der mit ihr verbundenen Blockparteien und Massenorganisationen bestätigt werden. Ziel der Wahlen war ein "eindrucksvolles Bekenntnis" der Loyalität des Volkes zur Staatsführung. Dementsprechend wichtig war den Funktionären ein höchstmöglicher Prozentsatz der Wahlbeteiligung und der gültigen Stimmen für den Wahlvorschlag der Nationalen Front. Um diesen zu erreichen, schreckten sie nicht vor Fälschungen, Manipulationen und Repressionen zurück. Die Stimmabgabe wurde faktisch öffentlich durchgeführt, denn die Benutzung der Wahlkabine war verpönt. Im Volksmund hießen die Wahlen daher auch "Zettelfalten". Bei der Aufstellung der Kandidaten besaßen die Wähler nur ein theoretisches Mitbestimmungsrecht. Die Bürger durften laut Wahlgesetz sogar Anträge auf Streichung von der Wählerliste stellen oder neue Kandidatenvorschläge unterbreiten. Vor allem kirchliche Initiativen forderten im Vorfeld der Kommunalwahl 1989 dazu auf, diese Möglichkeiten offensiv zu nutzen. Sie stellten aber auch das Wahlsystem in Frage und riefen zur Kontrolle der Stimmenauszählung auf.

Am 7. Mai 1989 fand die von der SED mit großem agitatorischen Aufwand vorbereitete Kommunalwahl statt. Den reibungslosen Ablauf versuchte das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) mit der Aktion "Symbol" abzusichern. Mitglieder verschiedener Oppositionsgruppen organisierten in mehreren Orten der DDR die Kontrolle der Stimmenauszählung. Erstmals gelang es so, der SED-Führung Wahlbetrug nachzuweisen, die Diskrepanz zwischen den offiziellen Ergebnissen und den direkt ermittelten Zahlen wurden offensichtlich. Dennoch liefen alle Einsprüche gegen die Wahl ins Leere. Für viele DDR-Bürger brach damit die Illusion vom "Rechtsstaat DDR" zusammen (vgl. auch die Kommunalwahl 1990).


Sammlung: Plakatsammlung
Datierung: bis 05.1989
Hersteller: Friedenskreis der Erlösergemeinde Berlin
Maße: Länge: 29,7 cm; Breite: 21 cm
Material: Papier
Farbe: Aufdruck: schwarz,
Blatt: beige
Verwendung: Protest und Demonstrationen, Information









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