Objekt- und Fotodatenbank Online im Museum in der Runden Ecke



Inventar-Nr: 17926
Objekt: Handzettel


Flugblatt für das Leipziger Straßenmusikfestival 1989 (Kopie)

Dieser kleine Handzettel ist eine Reproduktion (Kopie auf rotem Papier) aus dem Jahr 1999. In größerer Auflage wurde er anlässlich des zehnjährigen Jahrestages des Leipziger Straßenmusikfestivals vom 10. Juni 1989 nachgefertigt. Um an dieses Ereignis zu erinnern, organisierte das Bürgerkomitee Leipzig e.V. eine Veranstaltung, die am 10. Juni 1999 im Rahmen der Reihe "Heute vor 10 Jahren" in der "Runden Ecke" stattfand. Hier verteilte man auch diese nachgefertigten Handzettel. Die originalen Handzettel wurden 1989 zu hunderten im Siebdruckverfahren vom Vorbereitungskreis des Straßenmusikfestivals produziert und auf der Straße verteilt um den Termin "10. Juni 1989" zu verbreiten. Verschiedene Leipziger Oppositionsgruppen luden die Bevölkerung zu diesem Festival ein. Obwohl die Organisatoren mit der Veranstaltung vordergründig das Ziel verfolgten, die Stadt für einen Tag mit Leben zu erfüllen, wollten sie damit außerdem auch öffentlich ein Zeichen für die Legalisierung von Straßenmusik setzen. In Vorbereitung des Festes wurden neben den Handzetteln auch Einladungen verteilt, auf denen zum mitmachen aufgerufen wurde. Auch handgemalte Plakate und illegal hergestellte Aufkleber brachte man im gesamten Stadtgebiet an - die waren allerdings nach wenigen Stunden wieder heruntergerissen.

Straßenmusik betrachteten die Behörden in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), wie alle spontanen Aktivitäten, stets misstrauisch und duldeten sie nur in wenigen Städten nach vorheriger staatlicher Genehmigung. Um öffentlich auftreten zu dürfen, benötigten Musiker eine Spielerlaubnis. Über deren Erteilung entschieden nicht nur künstlerische, sondern auch politische Kriterien. Trotz intensiver Bemühungen um eine staatliche Erlaubnis für das geplante Straßenmusikfestival in Leipzig wurde - wie zu erwarten - auch diese Veranstaltung von den staatlichen Stellen verboten. Als Begründung gab man an, dass am gleichen Tag das Pressefest der Bezirkszeitung der SED "Leipziger Volkszeitung" (LVZ) stattfand und keine Konkurrenzveranstaltung geduldet würde. Ab Mai luden die Organisatoren trotzdem zahlreiche Musikgruppen in der DDR zum Straßenmusikfestival ein. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) erfuhr unter anderem durch die Postüberwachung davon und legte einen umfangreichen Maßnahmeplan fest, um das Festival zu verhindern. Für den 10. Juni wurde von der Staatssicherheit als Arbeitsorgan eine operative Stabsgruppe unter Leitung der Arbeitsgruppe Aktionen und Einsätze (AG AuE) gebildet. Über die Versuche zur Verhinderung der Veranstaltung wurde die SED minutiös durch die Leipziger Bezirksverwaltung für Staatssicherheit (BVfS) informiert. Trotz des Verbotes trafen viele Musiker aus der ganzen DDR in Leipzig zusammen und spielten zur Freude der Passanten am 10. Juni bis in die Mittagsstunden in der Innenstadt. Gegen 12.00 Uhr fuhr plötzlich die Volkspolizei vor und lud die Musiker samt ihrer Instrumente brutal auf Lastkraftwagen (LKW). Die Verhaftungen dauerten bis zum Nachmittag an. An diesem Tag wurden im Zusammenhang mit dem Musikfestival auf den Straßen Leipzigs 84 Personen festgenommen und Ordnungsstrafen in Höhe von insgesamt 8.450 (DDR-)Mark verhängt. Bei vielen Zeugen lösten die Übergriffe der Sicherheitsorgane Entsetzen und Unverständnis aus. So wurde aus "unbeteiligten Passanten eine protestierende Menge". Diese Einschätzung, die Vaclav Havel im Frühjahr 1989 vor einem Prager Gericht äußerte, traf auch für Leipzig zu.


Sammlung: Plakatsammlung
Datierung: 10.06.1989, 10.06.1999
Hersteller: unbekannt
Maße: Breite: 10,2 cm; Länge: 10,1 cm
Material: Papier
Farbe: Blatt: rot,
Aufdruck: schwarz
Verwendung: Information, Protest und Demonstrationen








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