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Inventar-Nr: 17944
Objekt: Aufnäher


Aufnäher "UMKEHR ZUM LEBEN" vom 1. Pleißegedenkumzug

Bei diesem bedruckten Stück Stoff handelt es sich um einen Aufnäher zum 1. Pleißegedenkmarsch am 5. Juni 1988 in Leipzig. Er wurde von einem Leipziger Grafiker hergestellt, der kurz darauf das Land verließ. Die Pleiße ist ein Fluss in Leipzig, der 1956 wegen seines Gestankes teilweise unter die Erde verlegt wurde. Mit dem Protestumzug unter dem Motto "Umkehr zum Leben" entlang des Gewässers, sollte auf die unhaltbare Umweltsituation in der Stadt aufmerksam gemacht werden. Es war die erste größere Leipziger Aktion außerhalb kirchlicher Räume.

In der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) waren die Menschen extremen Umweltbelastungen ausgesetzt. Die täglich erfahrbaren ökologischen Missstände riefen in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre verstärkt Proteste hervor. Vermehrt schrieben Bürger Eingaben oder organisierten sich in unabhängigen Umweltgruppen unter dem Dach der Kirche. Aufgrund des Allmachtsanspruches der SED war jedoch jedes persönliche, staatsunabhängige Engagement für ökologische Belange ein oppositioneller Akt und wurde unterdrückt. Trotzdem erarbeiteten die Umweltgruppen Studien zur Umweltsituation, organisierten Aktionen wie die jährliche kirchliche Veranstaltung "Mobil ohne Auto" oder Baumpflanzungen. Dadurch wuchs ihre Kompetenz. Einige Basisgruppen versuchten bewusst, ökologische Themen zu politisieren. Die erste größere Aktion in Leipzig mit dieser Doppelfunktion war - anlässlich des Weltumwelttages - der Pleißemarsch am 5. Juni 1988. Vorbereitet wurde die Aktion von Mitgliedern der Initiativgruppe Leben (IGL) und der Arbeitsgruppe Umweltschutz (AGU), die mit Plakaten, Flugblättern und Briefen dazu einluden. Die Einladungen wurden mit der Post verschickt, in Hausbriefkästen gesteckt, in Telefonzellen ausgelegt, an Litfasssäulen geklebt und in den Schaukästen der Leipziger Kirchgemeinden ausgehängt. Obwohl verschiedene offizielle Vertreter von Staat und Kirche sowie der Medien eingeladen wurden, nahm nur Pfarrer Christoph Wonneberger an dem Umzug teil. Schon im Vorfeld versuchte das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der Initiatoren des Gedenkumzuges habhaft zu werden, so führte sie die vermeintlichen Organisatoren "zwecks Klärung eines Sachverhaltes" zu und verhörte sie (vgl. dazu die verantwortliche Hauptabteilung XX des MfS). Auch die Kirche versuchte die Aktion zu verhindern. Innerhalb der Kirche wurde ein Informationsverbot verhängt, die Leipziger Superintendenten Friedrich Magirius und Johannes Richter distanzierten sich von der Aktion und verlangten das die Plakate die in den Schaukästen der Kirchgemeinden zu dem Pleißemarsch einluden, entfernt werden sollten. Trotz Intervention von staatlicher und kirchlicher Seite beteiligten sich etwa 200 Personen an dem Protestmarsch und zogen eine Stunde lang am Pleißeufer entlang. Unterwegs entnahmen sie dem Fluss eine Wasserprobe und stellten im Clara-Zetkin-Park drei Informationstafeln auf, die bereits am Vortag dort versteckt wurden waren. Wider Erwarten griffen die Sicherheitskräfte an diesem Tag nicht ein, einzig ein Funkstreifenwagen der Volkspolizei begleitete den Umzug aus einiger Entfernung. Ein Jahr später sollte erneut ein Pleißemarsch stattfinden, der aber offiziell verboten wurde (vgl. auch die DDR-weite Protestaktion "1 Mark für Espenhain)


Sammlung: Sonstiges
Datierung: 05.06.1988
Hersteller: Leipziger Grafiker
Maße: Tuch: Breite: 110 mm; Länge: 95 mm;
Aufdruck: Breite: 90 mm; Länge: 70 mm
Material: Baumwolle
Farbe: Tuch: weiß,
Aufdruck: schwarz
Verwendung: Protest und Demonstrationen








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