Die Linie II
(Spionageabwehr)

[schließen]

Das Ministerium f?r Staatssicherheit (MfS) war nach dem sog. Linienprinzip organisiert: Die meisten Hauptabteilungen (HA) im Ministerium setzten sich als Abteilungen in den einzelnen Bezirksverwaltungen (BVfS) fort. Gemeinsam bildeten sie eine ?Linie?.

F?r die Spionageabwehr war in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zun?chst die Abteilung IV des Ministeriums f?r Staatssicherheit (MfS) zust?ndig, die erst im November 1953 mit der speziell f?r die Westarbeit verantwortlichen Abteilung II zur Hauptabteilung II (HA II) zusammengelegt wurde. Da jegliche Art von Feindt?tigkeit gegen die DDR mit dem Wirken westlicher Geheimdienste in Verbindung gebracht wurde, z?hlte Spionageabwehr nicht nur zu den wichtigsten Aufgaben des MfS sondern wurde als Gesamtaufgabe angesehen. Somit bildete die Hauptabteilung II gemeinsam mit den ihr unterstellten Abteilungen der Bezirksverwaltungen f?r Staatssicherheit (BVfS) eine der bedeutendsten Linien innerhalb des Ministeriums.

Der Begriff der Spionageabwehr umfasste neben der Aufdeckung und Abwehr geheimdienstlicher Angriffe auf politischem, ?konomischem und milit?rischem Gebiet ebenso die Entlarvung von Organisationen, die im ?Operationsgebiet? (in der Bundesrepublik und West-Berlin) gegen die DDR agierten. Zudem oblag es der HA II, innerhalb des MfS f?r Sicherheit zu sorgen. So ?berwachte sie auch eigene Mitarbeiter, wenn diese unter Spionageverdacht geraten oder geflohen waren und f?hrte zu diesem Zweck Sonder-OPK -und OV durch (vgl. Operative Personenkontrolle, OPK und Operativer Vorgang, OV). Personen, die Einblick in MfS-Objekte hatten (z.B. Handwerker), unterzog sie standardm??ig einer Sicherheits?berpr?fung.

Weiterhin ?berwachte sie die ausl?ndischen Vertretungen, insbesondere die st?ndige Vertretung der Bundesrepublik, und sicherte ebenso wie die Objekte der Gruppe der sowjetischen Streitkr?fte in Deutschland (GSSD) die DDR-Vertretungen im Ausland ab. Auch die Operativgruppen (Verbindungsst?be des MfS) in Moskau, Warschau, Prag, Budapest und Sofia unterlagen der Anleitung durch die HA II. In der DDR akkreditierte Journalisten und Korrespondenten sowie auch Ausl?nder und DDR-B?rger, die ?ber Auslandskontakte verf?gten und bereits oppositionell in Erscheinung getreten waren, wurden als m?gliche Verbindungsleute gegnerischer Geheimdienste betrachtet und daher von der HA II durch Inoffizielle Mitarbeiter (IM) bespitzelt oder anderweitig operativ bearbeitet. Au?erdem war die Hauptabteilung II daf?r verantwortlich, die Zusammenarbeit der SED und des FDGB mit der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) bzw. mit der Sozialistischen Einheitspartei Westberlins (SEW) zu gew?hrleisten.

Aufgrund dessen, dass Spionageabwehr im Sinne des MfS einen fl?chendeckenden, oft rein vorbeugenden Charakter hatte, konnte die Linie II die umfangreiche Arbeit in diesem Bereich nicht alleine bewerkstelligen. Allerdings nahm sie gegen?ber den anderen Diensteinheiten, die auf demselben Gebiet t?tig waren (u. a. die HVA, HA I, HA VIII und HA XX), stets eine dominante Stellung ein, was das pr?gnanteste Merkmal ihrer ma?geblichen Rolle im MfS ist. So war ihr die Au?ensicherung milit?rischer Objekte und auch die Enttarnung geheimdienstlicher Verbindungslinien vorbehalten. Aufgrund ihrer immensen Bedeutung f?r das MfS verf?gte die Hauptabteilung ?ber eigene Abteilungen f?r Fahndung (HA II/5), Logistik (HA II/8), operative Technik (HA II/16), Beobachtung (HA II/17) und Terrorbek?mpfung (HA II/18).

Obwohl Gegenspionage seit 1973 zu den Arbeitsbereichen der Hauptverwaltung Aufkl?rung (HVA) geh?rte, blieb das Eindringen in agenturf?hrende Dienststellen westlicher Geheimdienste immer auch Aufgabe der Hauptabteilung II. Wie die HVA setzte die HA II hierf?r Doppelagenten ein - im Jargon der Stasi so genannte ?Inoffizielle Mitarbeiter mit Feindverbindung? (IMB). Erfolge auf diesem Gebiet wurden mit Vorliebe f?r propagandistische Zwecke genutzt. Ein sehr bekanntes Beispiel hierf?r ist die im Mai 1956 durchgef?hrte Aktion gegen die Filiale des amerikanischen Military Intelligence Department (MID) in W?rzburg, bei der zwei geheime Mitarbeiter der Hauptabteilung II zwei Panzerschr?nke mit der kompletten DDR-Agentenkartei des feindlichen Geheimdienstes entwendeten und den Inhalt nach Berlin schmuggelten.

1989 verf?gte die HA II ?ber einen Personalbestand von 1.432 hauptamtlichen und zwischen 3.000 und 5.000 Inoffiziellen Mitarbeitern. Die Abteilung II im Bezirk Leipzig hatte zu dieser Zeit 63 hauptamtliche Mitarbeiter. Die Entwicklung der Linie II h?ngt im Wesentlichen mit ihren drei Leitern zusammen: Josef Kiefel (1953-1960), Werner Gr?nert (1960-1976) und G?nther Kratsch (1976-1989).


Glossar
Literatur