Die Deutsche Volkspolizei (DVP)

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Nach der Kapitulation des nationalsozialistischen Regimes am 8. Mai 1945 lagen nicht nur das Land danieder, sondern auch alle staatlichen Organe, insbesondere die Sicherheitseinrichtungen. Aus diesem Grund erteilten schon wenige Wochen sp?ter f?hrende Funktion?re der Kommunistsichen Partei Deutschlands (KPD) mit Zustimmung der Sowjetischen Milit?radministration f?r Deutschland (SMAD) erste Anweisungen f?r den Aufbau von Polizeikr?ften in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), die dann ab 1. Juli 1945 offiziell als Deutsche Volkspolizei (DVP) zusammen gefasst wurden und aus der sich kurze Zeit sp?ter heraus auch die Grenzpolizei und die Bereitschaften bildeten. F?r die Einstellung von neuen Sicherheitskr?ften war vorgegeben, dass keine alten Polizeibeamten mehr zu verwenden seien. Daher wurden vor allem Antifaschisten (darunter bevorzugt Kommunisten) in leitende Funktionen in den Polizeidienststellen eingesetzt. Beim Wiederaufbau der Polizeibeh?rden griff man auf Strukturen der Weimarer Republik zur?ck. Dadurch entstanden auf ?rtlicher Ebene Einzel- und Gruppenposten, Reviere sowie Orts- und Kreisbeh?rden. Im Zuge der L?nderbildung (Brandenburg, Mecklenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Th?ringen) entstanden dann auch Landespolizeibeh?rden. Auf sowjetische Weisung bildete man im Jahre 1946 die Deutsche Verwaltung des Inneren (DVdI), die sich im Laufe der Zeit gegen?ber den Polizeibeh?rden der f?nf L?nder zum zentralen l?nder?bergreifenden F?hrungsorgan entwickelte. Die Leitung des Aufbaus der Polizeibeh?rden auf deutscher Seite ?bernahmen ausschlie?lich Kommunisten und zuverl?ssige Mitglieder der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED).

Den Landesbeh?rden der Volkspolizei (LdVP) bzw. der DVdI unterstanden damals die operativen Zweige Schutz-, Verkehrs-, Kriminal- und Verwaltungspolizei. Deren Aufgaben bestanden u.a. in der Bewachung von Betrieben und Objekten der SMAD, der Kriminalit?tsbek?mpfung, dem Melde- und Erlaubniswesen, sowie der Preis?berwachung. Eine besondere Aufgabe kam der Abteilung Kriminalpolizei 5 oder Kommissariat[e] 5 (K 5) zu, einem Vorl?ufer des Ministeriums f?r Staatssicherheit (MfS). Die K 5, als Hilfsorgane der ber?chtigten sowjetischen Geheimpolizei NKWD gebildet, besch?ftigten sich vor allem mit der Entnazifizierung und ?bernahmen einige Zeit sp?ter auch die Funktion einer politischen Polizei im Interesse der SED.

Bereits 1946 erfolgte, wenn anfangs auch nur l?ckenhaft, die Bewaffnung der DVP. Gleichfalls wurde die erste Polizeischule der Landesbeh?rde gegr?ndet, in der nun die Ausbildung, samt milit?rischen Fertigkeiten, neuer Volkspolizisten erfolgte.

Mit der Versch?rfung des Wirtschaftsrechts und der Neudefinition von politischen Straftatbest?nden (z.B. ?Boykotthetze? lt. Art. 6 der Verfassung der DDR) kam es willk?rlich zur Kriminalisierung von Verhaltensweisen. In Folge dessen erfolgte eine politische Instrumentalisierung der DVP bei Strafverfolgung bzw. bei der politischen S?uberung. Im Zuge dessen erweiterte sich vor allem der Aufgabenbereich des Referates K 5. Im Mai 1949 begann man damit dieses Referat aus der Kriminalpolizei herauszul?sen, um aus ihm und der Abteilung zum Schutz der Volkswirtschaft der DVdI im Oktober 1949 die Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft zu bilden, aus der schlie?lich 1950 das MfS hervorging.

Mit der Gr?ndung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) am 7. Oktober 1949 kam die DVP in die Zust?ndigkeit des Ministeriums des Innern (MdI), dessen Minister zugleich Chef aller Verb?nde wurde, die unter der Sammelbezeichnung ?Deutsche Volkspolizei? existierten. F?r die Leitung der eigentlichen Polizeikr?fte wurde innerhalb des Ministeriums nun eine Hauptverwaltung der Deutschen Volkspolizei (HVDVP) eingerichtet, deren Chef Stellvertreter des Ministers war. Die anderen Verb?nde, die unter dem Dach der DVP bestanden, deren Ausbildung und Ausr?stung jedoch eher milit?rischen als polizeilichen Zwecken gen?gten, wurden von der Hauptverwaltung Ausbildung (HVA) im MdI zentral betreut. Dazu geh?rten kasernierte Bereitschaften sowie die Deutsche Grenzpolizei.

Bis zum Jahr 1952 unterstanden der HVDVP die Landespolizeibeh?rden, die ihren Dienstsitz in Potsdam (Brandenburg), Schwerin (Mecklenburg), Dresden (Sachsen), Halle (Sachsen-Anhalt) und Weimar (Th?ringen) hatten. Mit Aufl?sung der L?nder durch die Verwaltungsreform und der Einrichtung von Bezirken im Juli 1952 wurde nun auch die Polizei umorganisiert. Es entstanden 14 Bezirksbeh?rden der Deutschen Volkspolizei (BdVP) und ca. 215 Volkspolizeikreis?mter (VPK?). In Berlin (Ost) entsprach das Pr?sidium der Volkspolizei (PdVP) einer Bezirksbeh?rde und jede der VP-Inspektionen in den 11 Berliner Stadtbezirken einem Volkspolizeikreisamt (VPKA). Die Volkspolizei gliederte sich in die Dienstzweige Schutzpolizei, Verkehrspolizei, Kriminalpolizei, Wasserschutzpolizei und Transportpolizei, au?erdem unterstand ihr auch das gesamte Meldewesen als Abteilung Pass- und Meldewesen. Alle VP-Angeh?rigen trugen milit?rische Dienstgradbezeichnungen.

Infolge der im Januar 1956 beschlossenen Bildung der Nationalen Volksarmee (NVA) und des Ministeriums f?r Nationale Verteidigung (MfNV) ?nderte sich die Organisationsstruktur innerhalb der ?Bewaffneten Organe? der DDR grundlegend. Die in der Kasernierten Volkspolizei (KVP) zusammengefassten Einheiten wurden in die neuen Streitkr?fte ?bernommen und galten mit dem 1. Dezember 1956 als aufgel?st. Beim MdI verblieben die Kompetenzen f?r die rein polizeilichen Aufgaben.

Der Aufgabenbereich der DVP umfasste, im Rahmen ihrer territorialen und rechtlichen Zust?ndigkeit, allgemein die ?Gew?hrleistung der ?ffentlichen Ordnung und Sicherheit? in der DDR. Im Besonderen war ihr dabei aufgetragen, durch ihre verschiedenen Dienstzweige m?gliche Straftaten, Verfehlungen und Ordnungswidrigkeiten vorzubeugen, begangene Straftaten aufzudecken, zu untersuchen und aufzukl?ren sowie helfend dazu beizutragen, dass die Ursachen und Bedingungen daf?r erkannt und beseitigt werden. Dar?ber hinaus verlangte der von der Staatsf?hrung ausgestellte politische Auftrag, dass die Angeh?rigen der DVP ihren Dienst ?zur allseitigen St?rkung und zum zuverl?ssigen Schutz der Arbeiter- und Bauern-Macht? versahen, d.h. ?ber ihre polizeilichen Aufgaben hinaus Verantwortung f?r die Weiterentwicklung der sozialistischen Gesellschaft trugen.

Zudem war man sowohl in der F?hrung der SED als auch der DVP darauf bedacht, die Polizei als ?Polizei des Volkes? erscheinen zu lassen. Eine Schl?sselrolle darin spielten die so genannten Abschnittsbevollm?chtigten (ABV), die 1952/53 nach sowjetischem Vorbild eingesetzt wurden. Sie bekleideten zumeist einen unteren Offiziersrang der Schutzpolizei und waren eigentlich st?ndig im Dienst. Sie kannten durch die regelm??ige Kontrolle der ?Hausb?cher? die Einwohner in ihrem Kontrollbereich recht gut und waren ebenso in der Bev?lkerung eintr?glich bekannt. Aus diesem Grund waren sie die ersten Ansprechpartner, wenn in einem Wohngebiet ?St?rungen der ?ffentlichen Ordnung? anzuzeigen waren oder ein Verdacht auf kriminelle Handlungen weiter gegeben werden sollte. Weiterhin waren es zumeist die ABV, die politisch zuverl?ssige DDR-B?rger als ?Freiwillige Helfer der Volkspolizei? zu werben, zu schulen und einzusetzen hatten.

Im Laufe der Zeit mussten die Einheiten der Schutzpolizei und auch Dienstanf?nger bei ?ffentlichen St?rungen (Demonstrationen) und Gro?veranstaltungen ausr?cken. Zus?tzlich wurden f?r solche F?lle auf Kreisebene als Einsatzreserve so genannte Schnellkommandos der Schutzpolizei geschaffen, die 1967 wieder aufgel?st wurden. Diese kamen bei ?berf?llen und Unfallkatastrophen, aber auch bei ?Provokationen und Zusammenrottungen? zum Einsatz.

Die DVP arbeitete auch sehr eng mit dem MfS zusammen, faktisch bestand ein Unterstellungsverh?ltnis unter das MfS. ?hnlich wie bei der Staatssicherheit, die mit Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) zusammenarbeitete, hatte auch die Volkspolizei ihre Informanten. Das Arbeitsgebiet I der Kriminalpolizei (K I), deren Mitarbeiter durch MfS-Offiziere gef?hrt wurden, setzte solche inoffiziellen Kr?fte ? die Inoffiziellen kriminalpolizeilichen Mitarbeiter (IKM) ? ein (vgl. auch die Abwehrarbeit des MfS im MdI und DVP).

W?hrend der ?Wendeereignisse? kam es immer wieder zu Gewaltakten von Einheiten der DVP und anderer Sicherheitsorgane gegen?ber DDR-B?rgern. So richtete sich das gewaltsame Vorgehen u.a. gegen mehrere tausende Ausreisewillige, die am 3. und 4. Oktober 1989 in Dresden versuchten in die N?he einer der durchfahrenden Eisenbahnz?ge zu gelangen, in denen DDR-B?rger die in den Wochen zuvor in die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland (BRD) in Prag fl?chteten, ?ber die DDR in die BRD reisten. Auch in Leipzig ging die DVP erstmals am 2. Oktober 1989 ?u?erst brutal gegen friedliche Demonstranten vor, die nach dem mont?glichen Friedensgebet in der Nikolaikirche wieder in die Innenstadt laufen wollten. Am Abend des 7. Oktober 1989 kam es ebenfalls in Berlin zu massiven ?bergriffen der DVP und der Staatssicherheit als Demonstranten friedlich gegen die offiziellen Feiern zum 40. Jahrestag der DDR protestierten.

Das SED-Regime verlor, da nunmehr die politische Wende unausweichlich schien, an Autorit?t ? das wirkte sich auch auf die DVP aus. Deren Angeh?rige waren in Bezug auf die Legitimit?t ihrer Kompetenzen zutiefst verunsichert, was sehr oft dazu f?hrte, das sie sich teilweise nicht mehr bef?higt sahen, die Aufgaben aus ihren ?normalen Einsatzbereichen? (z.B. Verkehr) auszuf?hren. Daher versuchte die Regierung Modrow, durch Reformen, zu denen auch der Abbau der milit?rischen Strukturen und die Losl?sung von der F?hrungsrolle der SED geh?rten, wieder einsatzf?hig zu machen, was aber kaum gelang. Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland (BRD) am 3. Oktober 1990 ging die Polizeihoheit nunmehr an die neu gebildeten Bundesl?nder ?ber.


Glossar
Literatur