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Donnerstag, den 22. Januar 2009

Gedenkstätte Museum in der "Runden Ecke" plant seine Aktivitäten im Jubiläumsjahr 2009

Kategorie: Pressemitteilung

Auftakt zum Jubiläumsjahr 2009: Jahrestag der Demonstration für Demokratie am 15. Januar 1989 in Leipzig

Es war eine Nacht- und Nebelaktion im wahrsten Sinne des Wortes. In der Nacht zum 12. Januar 1989 verteilten Bürgerrechtler 10.000 selbst gedruckte Flugblätter einer „Initiative zur demokratischen Erneuerung unserer Gesellschaft“ in ganz Leipzig. Darin riefen sie zu einer Demonstration für Demokratie, Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit am 15. Januar auf. Obwohl SED, Staatssicherheit und Volkspolizei Kenntnis davon hatten, gelang es erst nach längerer Zeit den ungenehmigte Demonstrationszug auflösen. Die Verhaftungen führten DDR-weit zu einer Welle der Solidarisierung. Auf dem parallel stattfindenden Abschlusstreffen der KSZE-Folgekonferenz in Wien sprachen der bundesdeutsche und der amerikanische Außenminister die Leipziger Ereignisse an. Daraufhin sah sich die Berliner SED-Führung gezwungen die Verhafteten freizulassen und die Ermittlungsverfahren einzustellen. Diese Erfahrungen mobilisierten die Leipziger Bürgerrechtler, die in den folgenden Monaten eine Vielzahl weitere öffentliche Protestaktionen gegen das SED-Regime vorbereiteten.

Den 15. Januar, diesen ersten wichtigen Termin auf dem Weg zur Friedlichen Revolution nimmt das Bürgerkomitee zum Anlass, um sein umfangreiches Programm im Jubiläumsjahr 2009 vorzustellen. Das Bürgerkomitee Leipzig, das unmittelbar aus dem demokratischen Aufbruch des Jahres 1989 heraus entstand und das Erbe der Friedlichen Revolution pflegt, wird dieses wichtige Ereignis auf vielfältige Weise würdigen. Nicht zuletzt begeht es im Dezember 2009 selbst sein 20-jähriges Jubiläum, den Jahrestag der Stasibesetzung. Mit zahlreichen Veranstaltungen und besonders der Sonderausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ soll an die Ereignisse von 1989 erinnert werden.

Eine besondere Verpflichtung, den Jahrestag in würdiger Form zu begehen, erwächst aus dem Sitz des Vereins in Leipzig, das als die Stadt der Friedlichen Revolution gilt. Die Bilder von den Friedensgebeten in der Nikolaikirche, den Massendemonstrationen auf dem Innenstadtring und der Besetzung der MfS-Zentrale waren 1989 um die Welt gegangen. Hier fanden die – neben der vom 4. November in Berlin – größten Demonstrationen gegen das Unrechtsregime statt. Vor allem aber: In Leipzig entschied sich am 9. Oktober 1989, ob die Revolution eine friedliche oder eine blutige werden würde.

 

Die Friedliche Revolution 1989/90 entwickelte sich von der Peripherie ins Zentrum

Für viele Bürger der Bundesrepublik Deutschland und für internationale Besucher zählen die Ereignisse des Jahres 1989 noch immer zu den interessantesten Kapiteln der jüngeren deutschen Geschichte. Wer heute Leipzig besucht, für den sind die Schauplätze der Friedlichen Revolution deshalb noch immer Orte mit großer Anziehungskraft. Zu diesen geschichtsträchtigen Orten zählen neben der Nikolaikirche die ehemalige Stasi-Zentrale „Runde Ecke”, vor und in der sich eines der entscheidenden Kapitel der Friedlichen Revolution abspielte. Denn erst mit der Entmachtung des Repressionsapparates MfS war die diktatorische Herrschaft der SED tatsächlich nachhaltig gebrochen.

 

Nicht nur in Leipzig, sondern auch in anderen Städten im Süden der damaligen DDR demonstrierten schon Anfang Oktober 1989 Menschen friedlich für Freiheit und Demokratie. Dabei sorgte die immer stärker werdende Welle der Ausreisewilligen für eine entsprechende Resonanz der Aktionen der Bürgerrechtler. Die Bewegung, die letztlich zum demokratischen Umbruch und dem Ende der SED-Diktatur führte, muss als ein von der Peripherie – den Städten in Thüringen und Sachsen – ins Zentrum Berlin gehender Prozess betrachtet werden. Ohne die kontinuierlichen Massendemonstrationen in Städten wie Leipzig, Plauen oder Dresden, wäre der Mauerfall in Berlin am 9. November 1989 nicht denkbar. Insofern sind die Ereignisse von 1989, gerade in Leipzig, ein wichtiges Stück Deutscher Geschichte. Diese erste geglückte und dazu noch friedliche Revolution in Deutschland muss dementsprechend gewürdigt werden.

 

 

Vermitteln wogegen sich die Friedliche Revolution 1989/90 richtete ist 2009 wichtiger denn je

Die Gedenkstätten- und politische Bildungsarbeit des Bürgerkomitees ist eingebettet in die Bemühungen zahlreicher Leipziger Initiativen, die Erinnerung an die Friedliche Revolution wach zu halten. Museen, Vereine und die Stadt arbeiten seit mehr als einem Jahrzehnt in der Initiativgruppe „Herbst ´89 – Aufbruch zur Demokratie“ zusammen und organisieren vielfältige Projekte und Veranstaltungen. Alljährlich in der Zeit vom 6. bis 9. Oktober bieten sie Diskussionsplattformen, machen aktuelle Ergebnisse der Zeitgeschichtsforschung publik und zeigen am Beispiel Leipzigs auf, welch gewaltiger gesellschaftlicher, politischer und kultureller Umbruch nach ´89 stattgefunden hat. Der Initiativgruppe gehört auch das Bürgerkomitee an.

 

Die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ erfreut sich mit fast 100 000 Besuchern im Jahr, darunter Touristen aus dem In- und Ausland, großer Beliebtheit und rechnet aufgrund des gewachsenen nationalen und internationalen Interesses mit erhöhtem Besucherandrang. Auch die Nachfrage nach Objekten der Sammlung aus dem In- und Ausland ist deutlich gestiegen.

 

Für das Bürgerkomitee steht gerade angesichts der vielen Besucher die Wissensvermittlung über die Geschichte der Staatssicherheit und der SED-Diktatur im Vordergrund. In einer Zeit, in der mehr als die Hälfte der Ostdeutschen laut einer Umfrage findet, vor 1989 sei es ihnen wirtschaftlich und gesellschaftlich besser gegangen, hält es das Bürgerkomitee für seine Pflicht, politische Bildungsarbeit zu leisten und gegen die Verklärung SED-Diktatur anzugehen. Wenn solche Umfragergebnisse existieren, müssen wir offenbar wesentlich stärker vermitteln, wie die gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Situation 1989/90, wogegen hunderttausende auf die Straße gegangen oder wovor Sie in den Westen geflohen sind, eigentlich war.

 

Dies tut die Gedenkstätte auf vielfältige Weise: Basis aller zusätzlichen Projekte und Veranstaltungen wird die bestehende allgemeine Gedenkstättenarbeit sein, die durch das Jubiläum im Jahr 2009 einen besonderen Stellenwert erhalten wird. Diese bezieht sich vor allem auf die Dauerausstellung im Museum in der „Runden Ecke“ und dem Museum im Stasi-Bunker in Machern mit dem Angebot an einem geführten Rundgang teilzunehmen, aber auch auf die Stadtführung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“, die jeden Samstag um 14:00 von der Nikolaikirche ausgehend stattfindet.

 

 

Eröffnung der Sonderausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ im Mai 2009

Ab Mai 2009 präsentiert das Bürgerkomitee eine Sonderausstellung zur Geschichte der Friedlichen Revolution in Leipzig im ehemaligen Stasi-Kinosaal. Die Exposition wird als Vorgeschichte widerständisches Verhalten in Leipzig gegen die kommunistische Diktatur ab dem Kriegsende dokumentieren. Der Hauptteil der Ausstellung beginnt mit dem Herbst 1988 - als verschiedene Bürgerrechtsgruppen aus dem Schutz der Kirche heraustreten mussten und auf die Straße gingen -und stellt die Geschichte des Jahres 1989 in Leipzig, die final zur Friedlichen Revolution führte und die Ereignisse bis zur ersten freien Kommunalwahl 1990 dar. Im letzten Teil soll ein Ausblick auf die Entwicklungen ab 1990 gegeben werden.

 

Die Ausstellung wird wegen ihres engen stadtgeschichtlichen Bezugs zahlreiche Einwohner der Stadt ansprechen, wegen der nationalen und internationalen Bedeutung des Leipziger Herbstes ´89 für die Entwicklung in der gesamten DDR aber gleichzeitig auch sachsen- und bundesweit wahrgenommen werden. Wegen der herausragenden Rolle die Leipzig innerhalb der Friedlichen Revolution eingenommen hat, insbesondere wegen des als „Tag der Entscheidung“ in die jüngste deutsche Nationalgeschichte eingegangenen 9. Oktobers, wird der Jubiläumsausstellung eine große überregionale Bedeutung zukommen.

 

Die Sonderausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“, im ehemaligen Stasi-Kinosaal wird durch ein Begleitprogramm ergänzt, das sich, wie die Ausstellung selbst, an den konkreten Aktionen des politischen Widerstandes in Leipzig orientiert: Die Montagsdemonstrationen zur Leipziger Frühjahrs- und Herbstmesse, die Kommunalwahlen vom 7.Mai, das Straßenmusikfestival am 10. Juni und nicht zuletzt die Besetzung der Leipziger Stasi-Zentrale am 4. Dezember 1989 seien hier nur als ein paar Schlaglichter genannt.

 

Einweihung von Stelen im Leipziger Stadtraum im Oktober 2009

Im Stadtraum soll mit einer Ausstellung an authentischen Orten über die verschiedenen Ereignisse der Friedlichen Revolution in Leipzig informiert werden. Die 25 fest installierten Stelen mit Texten und historischen Fotografien sollen vor allem die Kraft des demokratischen Gedankens unterstreichen, der den Bürgern der DDR zur Selbstbefreiung von der Diktatur verhalf. Sie sollen zeigen, dass Zivilcourage sich lohnt, und sie sollen die Beweggründe der Akteure der Friedlichen Revolution ins Gedächtnis rufen, die für einen freiheitlichen und demokratischen Staat kämpften.

 

Die Stelen sprechen die Menschen direkt in ihrem Alltag an. Auf den Straßen und Plätzen Leipzigs erreichen sie so ein wesentlich breiteres Publikum als dies über Veranstaltungen der politischen Bildung möglich ist. Die Stelen machen Geschichte direkt an den Orten des Geschehens wieder lebendig und vermitteln sie allgemein verständlich. Sie sollen einerseits Einwohner Leipzigs ansprechen und mit einem wichtigen Kapitel der Geschichte ihrer Stadt konfrontieren. Andererseits soll nationalen wie internationalen Besuchern die besondere Rolle der Leipziger Ereignisse für den demokratischen Aufbruch in der gesamten DDR vor Augen geführt werden. Damit wird gleichzeitig das Image Leipzigs als „Stadt der Friedlichen Revolution“ gestärkt.

 

 

Veranstaltungsreihe: „Wir sind das Volk“ Montagsgespräche im Museum in der „Runden Ecke“

20 Jahre nach der Friedlichen Revolution laden das Bürgerkomitee Leipzig e.V. und das Historische Seminar der Universität Leipzig (Prof. Günther Heydemann) zu einer Gesprächsreihe mit Zeitzeugen ein. Im Mittelpunkt der „Montagsgespräche“, die jeweils um 19:00 beginnen, stehen Einzelpersonen, die sich in besonderer Weise an der Friedlichen Revolution beteiligten, einen gleichermaßen außergewöhnlichen wie auch exemplarischen Lebensweg hatten und haben und nicht zuletzt mit Leipzig verbunden sind.

Das Besondere der Reihe ist, dass die eingeladenen Persönlichkeiten erstmalig die Möglichkeit bekommen, ausführlich und gründlich über ihr Leben vor der Friedlichen Revolution und ihre Teilnahme an derselben zu berichten. Ebenfalls thematisiert werden soll die jeweilige Biografie in den zurückliegenden fast 20 Jahren seit 1989. Die Moderatoren Reinhard Bohse und Tobias Hollitzer lassen die Gesprächspartner ausreden und nachdenken. So soll jeweils ein Resümee der Vorgänge vor und nach 1989 gezogen werden, verknüpft mit der Beurteilung der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung bis heute. So wird hier vor allem ein biografischer und nicht fordergründig ereignisgeschichtlicher Zugang zum Thema gesucht.

Weitere Gäste der Montagsgespräche werden unter anderem sein: Jochen Läßig, Petra Lux, Edgar Dusdal, Cornelia Matzke und Christoph Wonneberger.

 

 

Sammelaufruf für die Sonderausstellung

Für die Sonderausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution sucht das Bürgerkomitee noch immer Zeitzeugen aus Leipzig oder der DDR, die 1989 bei den verschiedenen Leipziger Aktionen dabei waren und damals interessante Objekte , wie Flugblätter, Transparente, Pässe, Fotos oder ähnliches aufgehoben haben und diese dem Museum in der „Runden Ecke“ spenden oder leihen können. Auch Objekte, von denen man es zunächst nicht vermuten würde, können dabei von Interesse sein. Die Gedenkstätte freut sich über Exponate, die Spender oder Leihgeber jeweils mit einer ganz persönlichen Geschichte verbinden. Es wäre eine Bereicherung für die Ausstellung.