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Mittwoch, den 22. Juni 2011

Vor 30 Jahren: Letzte Hinrichtung in Leipzig - Todesstrafe erst 1987 in der DDR abgeschafft

Kategorie: Pressemitteilung

Am 26. Juni 1981 wurde der verurteilte MfS-Hauptmann Werner Teske getötet – Letzte bisher bekannte Hinrichtung in der DDR war Justizmord

Der vom Militärstrafsenat des Obersten Gerichtes der DDR in Berlin am 10. Juni 1981 zum Tode verurteilte Werner Teske wurde unter strenger Geheimhaltung in einen abgeschirmten Nebentrakt der Strafvollzugsanstalt in Leipzig per „unerwarteten Nahschuss in das Hinterhaupt“ getötet. Teske war der letzte von insgesamt 64 bisher bekannten in Leipzig von 1960 bis 1981 hingerichteten Menschen. Die Geschichte der Todesstrafe in der DDR ging erst mit der deren Streichung aus dem Strafgesetzbuch im Dezember 1987 zu Ende.

 

Der Fall „Teske“

Das Verfahren gegen Werner Teske kann als exemplarisch für den Missbrauch der Justiz in der Diktatur gelten. Werner Teske, anfangs ein überzeugter Kommunist, wurde 1969 als Mitarbeiter der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) eingestellt. Ursprünglich wollte der promovierte Wirtschaftswissenschaftler eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen, entschied sich jedoch zunächst für das MfS. Aus Frust darüber, dass er dort seine Karrierepläne nicht umsetzen konnte, wurde er alkoholabhängig und fiel immer wieder durch dienstliche Unregelmäßigkeiten auf.

 

Um seine Situation zu ändern, plante Werner Teske nach Westdeutschland zu fliehen und begann, wichtige Dienstunterlagen mit nach Hause zu nehmen. Fluchtmöglichkeiten nutzte er jedoch nicht und hatte seine Pläne auch schon verworfen, als er aufflog und verhaftet wurde. Nach tagelangen „Aussprachen“ gestand er seine früheren Fluchtpläne, die sein Todesurteil besiegeln sollten. Nach der spektakulären Flucht des Topp-Agenten Werner Stiller, ein ehemaliger Arbeitskollege Teskes in der HVA, im Jahr 1979 nach Westdeutschland ordnete MfS-Minister Mielke höchstpersönlich und in Absprache mit Erich Honecker die Höchststrafe gegen Teske als interne Abschreckungsmaßnahme an.

 

In einem präzise geplanten Geheimprozess mit MfS-gesteuerten Richtern, Staatsanwälten und einem Inoffiziellen Mitarbeiter als Rechtsanwalt wurde Teske vor ausgewählten Stasi-Offizieren wegen „vorbereiteter und vollendeter Spionage im besonders schweren Fall in Tateinheit mit vorbereiteter Fahnenflucht im schweren Fall“ auftragsgemäß unter dauernder Aberkennung der staatsbürgerlichen Rechte zum Tode verurteilt. Nach der Hinrichtung wurde Teske anonym als „Anatomieleiche“ im Krematorium des Leipziger Südfriedhofes eingeäschert und in einem Massengrab verscharrt. Todesursache und Sterbeort wurden gefälscht, damit keine Rückschlüsse auf Leipzig als Hinrichtungsort gezogen werden konnten. Angeblich verstarb er in Stendal. Die Angehörigen erfuhren erst nach 1989 von den genauen Umstände seines Todes. Bis heute ist nicht geklärt, wer Teskes Henker gewesen ist.

 

Nach der Wiedervereinigung fand immerhin ein juristische Aufarbeitung des Falles statt: Einer der Richter und der anklageführende Staatsanwalt wurden vom Landgericht Berlin im Jahr 1998 wegen Totschlags und Rechtsbeugung zu vier Jahren Haft verurteilt. Die beantragte und ausgesprochene Todesstrafe stand in einem krassen Missverhältnis zur Schuld des damaligen Angeklagten und war damit nach selbst nach DDR-Recht rechtswidrig, so das Landgericht in seiner Urteilsbegründung.

 

Todesurteile in der DDR – SED-Willkür von der Staatssicherheit gestützt

Während in der Bundesrepublik die Todesstrafe 1949 mit dem Grundgesetz abgeschafft wurde, hielt das SED-Regime an dieser letzten aller möglichen Strafen noch bis 1987 fest und richtete 1960 die zentrale Hinrichtungsstätte in Leipzig ein. Neben so genannten „Staatsverbrechern“, wie etwa Werner Teske, wurden hier auch Mörder und Kriegsverbrecher hingerichtet. Doch unabhängig von der Schwere der individuellen Schuld hatten alle Hingerichteten eines gemeinsam: Sie wurden in Prozessen verurteilt, die rechtsstaatlichen Grundlagen widersprachen. Bis Anfang der 1960er Jahre entschied das SED-Politbüro über Todesurteile, später die Parteichefs Walter Ulbricht und Erich Honecker persönlich in Absprache mit Erich Mielke, dem Minister für Staatssicherheit. Die Gerichte verkamen zu bloßen Simulatoren der propagierten sozialistischen Gesetzlichkeit, die Urteile standen bereits im Vorfeld fest.

 

Von 1945 bis 1981 wurden nach aktuellem Forschungsstand in der SBZ/DDR 374 Todesurteile ausgesprochen, von denen man  209 vollstreckte. Hinzu kommen noch etwa 1.000 von sowjetischen Militärtribunalen zwischen 1950 und 1953 aus politischen Gründen zum Tode verurteilte und hingerichtete Deutsche. Bis 1952 fanden die Hinrichtungen in den Ländern der verurteilenden Gerichte statt, von 1952 bis 1956 zentral in Dresden, ab 1960 in der Leipziger Alfred-Kästner-Straße. Im Jahr 1968 ersetzte der „unerwartete Nahschuss in das Hinterhaupt“ das Fallbeil als Hinrichtungsart.

 

Hatten vollstreckte Todesurteile noch bis in 1950er hinein abschreckenden Charakter, so bemühte sich das SED-Regime zunehmend, Hinrichtungen nach außen zu verschleiern, fälschte also Todesort und Urkunde und setzte dabei ebenfalls geltendes DDR-Recht außer Kraft. Handlanger bei allen Hinrichtungen war die Staatssicherheit, die jeden Schritt von der Ermittlung bis zur Einäscherung kontrollierte.

 

Bürgerkomitee setzt sich für justizgeschichtlichen Erinnerungsort ein

Das Bürgerkomitee Leipzig e. V. als Träger der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ setzt sich seit Mitte der 1990er für

den Erhalt der ehemaligen zentralen Hinrichtungsstätte als Erinnerungsort ein. So erreichte der Verein, dass der ehemalige Hinrichtungsort nach dem Auszug der JVA im Jahr 2001 unter Denkmalschutz gestellt wurde.

 

Daneben engagiert sich der Verein auch für die Aufarbeitung der Todesstrafe in der DDR. Im Jahr 2002 übertrug das sächsische Kabinett dem Staatsministerium der Justiz die Aufgabe, diesen zeitgeschichtlichen Ort zu erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen sowie seine Geschichte zu erforschen und darzustellen. Daraufhin wurde das Bürgerkomitee vom Staatsministerium gebeten, eine Konzeption für die weitere Nutzung zu erarbeiten. Im Zusammenhang mit dieser Entscheidung entstand bereits im Vorfeld eine Werkausstellung, die über die Geschichte der Todesstrafe in der DDR informiert und bis heute in der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ zu sehen ist.

 

Zur Etablierung der ehemaligen zentralen Hinrichtungsstätte als justizgeschichtlichen Erinnerungsort an authentischer Stelle hat das Bürgerkomitee in den vergangenen Jahren immer wieder mit dem Justizministerium zusammengearbeitet, eine umfangreiche Dokumentation aufgebaut sowie konzeptionelle Vorarbeiten geleistet. Heute ist die Gedenkstätte auch zentraler Anlaufpunkt für die immer zahlreicher werdenden Anfragen zum Thema.

 

Derzeit ist die ehemalige zentrale Hinrichtungsstätte nur zwei Mal jährlich zur Leipziger Museumsnacht sowie zum Tag des offenen Denkmals für Besucher zugänglich. Dabei belegen die Besucherzahlen das herausragende öffentliche Interesse an der Vermittlung dieser Thematik: Im vergangenen Jahr kamen zu den beiden Öffnungstagen der ehemaligen Hinrichtungsstätte, an denen das Bürgerkomitee Führungen anbot, fast 1.700 Besucher.

 

Zum Erhalt des historischen Ortes, der sich baulich in einem sehr schlechten Zustand befindet, sowie für den Anbau einer modernen Ausstellungsfläche ist die Unterstützung des Freistaates Sachsen und der Bundesrepublik Deutschland notwendig. Insbesondere der Freistaat als Besitzer der Liegenschaft, in der sich die Hinrichtungsstätte befindet, ist gefordert, sich für ihren Erhalt als bundesweites Mahnmal und einmaligem Lernort einzusetzen.

 

Für die weitere museale Erschließung hat das Bürgerkomitee mit zahlreichen Forschungen zum Thema und der Erarbeitung der Werkausstellung „Todesstrafe in der DDR – Hinrichtungen in Leipzig“ entscheidende Vorarbeit geleistet und steht in positiven Gesprächen mit dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz. Das gemeinsame Ziel, dauerhaft einen justizgeschichtlichen Erinnerungsort zu etablieren, sollte in den kommenden Jahren verwirklicht werden.

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